Dicke Fische für die Palästinenser

Ein gemeinsames israelisch-palästinensisches Projekt entwickelt eine neuartige Methode für die Fischzucht, die das Produkt zugleich preisgünstiger macht. Das Vorhaben wird auch vom Bundeswissenschaftsministerium finanziell unterstützt

Ein Kilo Fisch kostet umgerechnet fünf Euro, Hühnerfleisch nur ein Drittel davon

AUS RECHOWOT SUSANNE KNAUL

Es ist sicher ein eher ungewöhnliches israelisch-palästinensisches Projekt: Das Prinzip ist, kostensparende dicke Fische zu produzieren, indem man im Frühstadium der Brut bestimmte Kräuter füttert, die den Nachwuchs komplett zu kleinen Fischmännchen machen. Für den Markt ist das günstig, weil der männliche Nachwuchs schneller heranwächst und außerdem dicker wird. Dr. Berta Sivan, Tierwissenschaftlerin vom Landwirtschaftsinstitut der Hebräischen Universität, gibt sich zuversichtlich, dass infolge der günstigeren Fischproduktion mit ihrem Projekt „der Fischkonsum der Palästinenser intensiviert werden kann“.

Seit gut einem Jahr arbeitet die Israelin parallel zu ihrem palästinensischen Kollegen Dr. Muntas Qutob von der Al-Quds-Universität in Abu Dis an der Geschlechtsumwandlung beim Nilbuntbarsch. Gleich nach der künstlichen Befruchtung der Fischeier, die in einer Art Inkubator ausgebrütet werden, füttern die Wissenschaftler ein Nahrungspulver zu, das Bockhornklee enthält. Allein das Kraut reiche aus, um die Geschlechtsumwandlung auszulösen. Sivan versichert, dass es dabei weder zu einer Geschmacksveränderung kommt, noch sei es gesundheitsschädlich, die manipulierten Fische zu verzehren.

Berta Sivan steht vor den Versuchsbassin auf dem Gelände des Weizman-Instituts in Rechowot. „Alle drei Wochen legen die Fischweibchen ihre Eier“, erklärt sie. Das ist der Moment für die Wissenschaftler. Die Fischmütter, die die Eier normalerweise in ihren Mäulern ausbrüten, verabschieden sich unfreiwillig von ihrem noch ungeborenen Nachwuchs, den Sivan, unterstützt von einer Gruppe Studenten, vorsichtig aus dem Fischmaul in den Inkubator presst. Bis zum Schlüpfen vergehen noch einige Wochen. Fast ein Jahr dauert es, bis der Fisch voll ausgewachsen ist.

In fünf Bassins mit tausenden kleinen Fischchen in unterschiedlichen Entwicklungsstufen herrscht aufgeregtes Hin- und Herschwimmen. Auch bei den Eltern – einem Männchen und acht Weibchen – sorgt Papa Barsch unmissverständlich und deutlich zu seinen Gunsten für eine klare Verteilung des Reviers. „Um bei den ganz kleinen Fischen eine Geschlechtsprüfung vorzunehmen, müssen wir sie töten“, erklärt Sivan ohne erkennbare Skrupel. „Wir haben von tausend Fischen einhundert geprüft. Ohne Ausnahme waren es alles Männchen. Das genügt uns.“ Der Erfolg ist den Forschern sicher. Jetzt geht es nur noch um ein effektive Dosierung des Bockhornklees und der Suche nach anderen Kräutern mit ähnlicher Wirkung.

Für Qutob, der an einer israelischen Universität im Bereich Meeresökologie promovierte, kam die Aufforderung einer Zusammenarbeit insofern überraschend, da er mit Versuchen am Fisch bis vor einem Jahr noch kaum etwas zu tun hatte. Die Zusammenarbeit von israelischen und palästinensischen Universitäten ist trotz der widrigen politischen Umstände nichts Ungewöhnliches. Oft findet die Kooperation nur auf dem Papier statt. Mit einem israelisch-palästinensischen Coprojekt lassen sich die internationalen Finanziers leichter locken.

Bei den Fischforschern aus Rechowot und Al-Quds war es umgekehrt. Sivan kooperierte zuerst mit der deutschen Universität in Hohenheim und arbeitete bereits in dem Bereich, als sie die Idee hatte, einen palästinensischen Partner zu interessieren. Heute wird die gemeinsame Forschung mit Geldern des Bundeswissenschaftsministeriums unterstützt. Bislang flossen knapp eine Million Euro in Anlagen und Personalkosten. Dabei stehen die größeren Ausgaben noch bevor.

Qutob plant großangelegte Freiluftbassins für seine Forschungen und hat sich in Jericho schon ein Objekt seiner Wünsche ausersehen. Es wäre von der Größe und von dem in der Kleinstadt herrschenden günstigen Klima her „gerade richtig, um die Wassertemperatur bei möglichst 22 Grad zu halten“, erklärt der Forscher. Die Anlage wurde vor gut einem Jahr stillgelegt, nachdem sich die bislang erste und einzige palästinensische Fischzucht als unrentable herausstellte.

„Ein Kilogramm Fisch kostet heute rund 30 Schekel (ca. 5 Euro)“, erklärt Qutob den geringen Fischkonsum in den Palästinensergebieten. Hühnerfleisch ist schon für ein Drittel des Preises zu bekommen. Außerdem ist gefrorener Fisch in der Bevölkerung nicht sonderlich beliebt. „Wenn man frischen Fisch für weniger Geld vermarkten könnte, würden die Palästinenser bestimmt mehr davon konsumieren“, glaubt der Meeresforscher, den der wirtschaftliche Faktor seiner in Jericho geplanten Bassins allerdings wenig interessiert.

Die Becken sollen im kommenden Jahr wieder nutzungstauglich gemacht werden. Bis dahin, so hofft Berta Sivan, werde sich die politische Lage so weit beruhigt haben, dass auch sie als Israelin wieder die Palästinensergebiete bereisen kann. Vorläufig treffen sich die Forscher im Internet, in Israel oder in Deutschland.