Protestanten wollen weg vom Kuschelkurs

Die EKD präsentiert ein Positionspapier zu Muslimen in Deutschland – und kritisiert Kopftuch im Klassenzimmer

BERLIN taz ■ Die Zeit ist reif für deutliche Worte, findet Bischof Wolfgang Huber. In einer Gesellschaft, die sich mit Ehrenmorden und dem Karikaturenstreit auseinandersetzt, darf auch die Kirche ihre Sprache „nicht zu behutsam“ wählen, sagt der Vorsitzendes des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Gestern präsentierte die EKD das 124 Seiten umfassende Papier „Klarheit und gute Nachbarschaft“, das Chancen und Konflikte im Miteinander von Muslimen und Christen benennt.

Einlass gefunden hat etwa die Frage, wie sich die EKD zum Kopftuchstreit positioniert. In dem neuen Papier bekräftigt sie ihre schon 2003 geäußerte, intern aber nach wie vor umstrittene Auffassung: „Der Wunsch einer Lehrerin, in ihrem Unterricht an der öffentlichen Schule durchgängig ein Kopftuch zu tragen“, begründe „Zweifel an ihrer Eignung für diese Aufgabe“, sagte Huber. Nicht festlegen wollte die EKD sich allerdings, ob ein gesetzliches Kopftuchverbot nötig sei oder ob der Einzelfall geprüft werden sollte. Die EKD setzt sich in ihrem Leitfaden auch ab von der Position des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte in einem Grundsatzurteil verfügt, dass alle religiösen Symbole im Klassenzimmer gleich zu behandeln seien. Die EKD hingegen hält es für falsch, mit dieser Begründung auch die Ordenstracht aus den Schulräume zu verbannen. Schließlich repräsentierten „Erkennungszeichen der jüdisch-christlichen Tradition“ keine Auffassungen, die in Spannung zu Verfassungswerten stünden.

Schon 2000 hatte die EKD eine „Handreichung“ zum Dialog zwischen Christen und Muslimen verfasst. Die überarbeitete Neuauflage widmet sich stärker als zuvor der Frage, wie der Islam zu religiös motivierter Gewalt steht, und beleuchtet ausführlich die Stellung der Frau.

So kritisiert der Rat der EKD jetzt schärfer als im Vorgängerpapier jene Muslime, die unter Berufung auf Tradition oder Religion Frauen benachteiligen. Niemand dürfe mit dem Hinweis auf „kulturelle Identitäten“ universelle Menschenrechte verletzen. COSIMA SCHMITT