Die nichtintegrierte Integrationspolitikerin

Seit einem Jahr ist Maria Böhmer die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Doch ihren Job machen andere

BERLIN taz ■ Als Maria Böhmer (CDU) mit ihrem französischen Kollegen Azouz Begag über die „Integrationspolitik“ reden wollte, reagierte dieser empört. Integration? Wie diskriminierend! Er sei Minister für Chancengleichheit, erklärte der Sohn algerischer Einwanderer. Peinlich berührt lächelte Böhmer über die Bemerkung einfach hinweg.

Seit einem Jahr ist die Rheinländerin Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Aufgefallen ist sie bisher kaum. Böhmer ist keine Widerständlerin wie ihr Parteikollege, der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Der nennt die Einbürgerungsfragebögen „Gesinnungstests“. Solche Frechheiten hört man in der Union nicht gerne, sie machen Laschet und sein Thema aber prominent. Böhmer wagt so etwas nicht und gewinnt daher kein Profil. Wenn sie über deutsche Integrationspolitik urteilt, klingt das hölzern in der Form und wolkig im Inhalt: „Ich würde den Vorwurf nicht teilen, dass der Staat zu wenig gemacht hat.“

Bisher ist auch unklar, was Maria Böhmer eigentlich will. Einerseits möchte sie einen „ständigen Dialog“ mit den Migranten führen, „um die Gesellschaftspolitik gemeinsam zu gestalten“. Andererseits hält sie „Multi-Kulti für vollkommen gescheitert“. Zwei Aussagen, die sich schwer miteinander tun und die der Landesausländerbeauftragte von Berlin, Günter Piening, daher für „schlicht kontraproduktiv“ hält. „Vielfalt gestalten und Zusammenhalt stärken – beides gehört zur Integrationspolitik.“

Selbst wenn Böhmer eine klare Linie verfolgte, könnte sie das in den letzten Jahren auch für die Union relevant gewordene Thema Integration schwerlich allein besetzen. Schließlich inszeniert sich CDU-Schwergewicht Wolfgang Schäuble gern selbst als Integrationsminister der Republik. Doch ohne eigenes Format hat Böhmer gar keine Chance.

Deutlich wurde das beispielsweise, als sie das Innenministerium für angeblich geplante Kürzungen bei Integrationskursen kritisierte. Die 56-Jährige wurde abgekanzelt wie ein Schulmädchen. Per Brief ließ Schäuble mitteilen, Böhmer solle sich künftig nur noch zu ihrem Zuständigkeitsbereich äußern. Und wenn sie unbedingt etwas beitragen wolle, dann doch bitte mit Sachkenntnis. Dass Böhmer trotz solcher offenen Kränkungen das Verhältnis als „sehr gut“ bezeichnet, sagt einiges über die Schwäche ihrer Position aus.

Die Gründe für den mangelnden Rückhalt liegen neben den nebulösen Standpunkten Böhmers auch in ihrem Werdegang. Zu ihrem jetzigen Amt kam die katholische Pädagogikprofessorin eher zufällig. Ursprünglich hatte Angela Merkel sie als Kulturstaatsministerin vorgesehen, dann aber bekam Bernd Neumann den Posten und Böhmer wurde Integrationsbeauftragte. Die ehemalige Landesfrauenbeauftragte in Rheinland-Pfalz gilt zwar als loyale Merkel-Anhängerin. Als Kennerin der Integrationspolitik war sie jedoch nie aufgefallen. Dennoch wurde sie die erste Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, die mit im Kanzleramt saß.

Mancher Berliner Parlamentarier sekundierte prompt, der Posten sei der Lohn für die jahrelange Unterstützung Merkels gewesen. Und der grüne Experte für Innenpolitik, Volker Beck, meint noch heute, Böhmer solle vor allem die „harschen Forderungen der Union“ noch härter formulieren.

Tatsächlich hat Maria Böhmer wenig für einen Paradigmenwechsel in der Integrationsdebatte getan. Für die Union ist Deutschland noch immer kein Einwanderungsland, obwohl jeder fünfte Bewohner einen Migrationshintergrund hat. Die Nichtbeschäftigung mit den besonderen Armuts- und Bildungsproblemen der Einwanderer folgt dieser Ignoranz. Da hilft es kaum, wenn Böhmer beteuert, dass Integrationspolitik „die große Zukunftsaufgabe“ sei. Über die Gegenwart ist damit nichts gesagt. CIGDEM AKYOL