Ein Zelt für Doktor Faustus

Die marode Staatsoper muss schleunigst saniert werden, das steht fest. Doch wo könnten dann die Aufführungen stattfinden? Andernorts hat man gute Erfahrungen mit mobilen Ausweichquartieren gemacht – „Zelte“ im klassischen Sinne sind das nicht

von Nina Apin

Während Berlins frischgebackener Kulturbeauftragter Klaus Wowereit (SPD) noch mit dem Bund streitet, wer die Sanierung der Staatsoper bezahlen soll, denkt sein Staatssekretär André Schmitz schon einen Schritt weiter. Dass die Sanierung des Hauses bald fällig wird, steht außer Frage. Doch wenn es so weit ist, braucht die Oper für Jahre ein adäquates Ausweichquartier. Und das ist bei einem so großen und technisch anspruchsvollen Spielbetrieb alles andere als leicht zu finden in der Stadt. Auf die Komische Oper oder die Deutsche Oper auszuweichen ist nicht möglich, schließlich ist die klamme Opernstiftung darauf angewiesen, auch während der Sanierungszeit den Spielbetrieb an allen drei Häusern aufrechtzuerhalten. Ein Umbau des baufälligen Schillertheaters wurde bereits geprüft, aber für viel zu teuer befunden.

Wohin also mit dem Ensemble, den mehreren hundert Mitarbeitern, der Staatskapelle und dem Staatsballett von Vladimir Malakhov? In einem Interview mit der B.Z. vom Freitag schlug Kulturstaatssekretär André Schmitz vor, auch Zelte als Aufführungsort für die Aufführungen der Staatsoper in Betracht zu ziehen. Ganz so skurril, wie der Vorschlag klingt, ist er gar nicht. „Damit ist kein Zirkuszelt gemeint, sondern ein für die Opernnutzung konzipiertes Spezialzelt“, sagte Schmitz’ Sprecher der taz. Auch in Venedig hätten schon Premieren im Zelt stattgefunden und die Düsseldorfer Rheinoper nutze aktuell während der Sanierung ihres Stammhauses ein solches Zelt.

„Ein Zelt haben wir nicht. Bei uns ist alles schön fest mit Fassade und Gestänge“, sagt ein Mitarbeiter der Rheinoper in Düsseldorf. Das „RheinoperMobil“, wie sich der temporäre Bau nennt, erinnert nur seiner runden Form wegen an ein Zelt. 1,3 Millionen Euro hat das 14 Meter hohe Gebäude gekostet, das aus 16 Stahltürmen mit vorgehängter Fassade besteht und Platz für 804 Besucher bietet. Die Akustik ist, dank des ebenerdig platzierten Orchesters, auf allen drei Rängen hervorragend. Wer ganz vorne einen Platz ergattert, sitzt dem Dirigenten fast auf dem Schoß: Nur 2,50 Meter trennen die erste Reihe von der Bühne. Ein Erlebnis, mit dem die Rheinoper auf ihrer Website wirbt: „Hier wird es möglich sein, Oper und Ballett in einer einmaligen Nähe zu den Künstlern zu erleben!“

Aus der notwendigen Verknappung der Bühnenbilder machen die Düsseldorfer eine Tugend. Repertoirestücke werden eigens für das mobile Domizil entworfen, Orientierung bietet das Wandertheater der Shakespearezeit. Das RheinOperMobil steht direkt neben dem Landtag, in Berlin böte sich der Schlossplatz in Mitte an. Billiger als das geplante Humboldt-Forum wäre das Zelt allemal – und könnte nach Abschluss der Sanierung sogar als Kunsthalle dienen.