Lichtenberg wird recht rabiat

Die Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Angehörigen der linken Szene im Weitlingkiez eskalieren. Die Polizei reagiert darauf mit mehr Personal. Rechter Aufmarsch in Schöneweide geplant

von FELIX LEE

Im Lichtenberger Weitlingkiez nimmt das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Rechten, Linken und Ordnungshütern kein Ende. Am Wochenende war die Polizei dran. Mit rund 20 Beamten stoppte sie in der Nacht zu Sonnabend am Bahnhof Lichtenberg 14 Personen aus der rechten Szene und beschlagnahmte bei der Durchsuchung drei Teleskopschlagstöcke sowie Reizgas und Pfefferspray. Die Polizei nahm von den zwölf Männern und zwei Frauen im Alter zwischen 18 und 47 Jahren die Personalien auf und erteilte ihnen Platzverweise. Das Bahnhofsgebäude dürfen sie nun einstweilig nicht mehr betreten.

Wie ein Polizeisprecher bestätigte, zeigen die Einsatzkräfte seit einiger Zeit „verstärkte Präsenz“ im Südosten Berlins. Rund 100 Beamte seien allein in der Polizeidirektion 6 (Lichtenberg und Treptow-Köpenick) Tag und Nacht im Einsatz, um Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken, vor allem aber gewalttätige Übergriffe von Neonazis zu unterbinden.

Erst vergangene Woche wurde der PDS-Jungpolitiker und Bezirksverordnete Kirill Jermak (18) mit einer Glasflasche niedergeschlagen. Es ist bereits der zweite Angriff auf PDS-Politiker in diesem Jahr. Im Mai wurde der PDS-Politiker im Abgeordnetenhaus, Giyasettin Sayan, niedergeschlagen. Der 56-Jährige erlitt dabei schwere Kopfverletzungen. Die Täter konnten in beiden Fällen bisher zwar nicht ermittelt werden, beide Opfer gehen jedoch von rechtsextremistischen Motiven aus.

Aber auch die linke Seite überlässt nicht alles der Polizei, sondern schreitet selbst zur Tat. In der Nacht zum Donnerstag schlugen drei vermummte Personen die beiden Rechtsextremisten Sebastian Z. und seine Freundin Stefanie P. zu Boden. Beide gelten als rechte „Szenegrößen“, die angeblich an mehreren Übergriffen auf Migranten und Linke beteiligt waren.

Der Weitlingkiez in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Lichtenberg gilt als Hochburg von gewaltbereiten Rechtsextremisten – und das schon seit geraumer Zeit. Während zu DDR-Zeiten rechtsextrem motivierte Gewalttaten nicht öffentlich gemacht wurden, hatten Neonazis nach dem Mauerfall ein Haus in der Weitlingstraße besetzt und zum Szenetreffpunkt erkoren. Auch das von Angehörigen der rechten Szene betriebene Café Germania sorgte besonders in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre immer wieder für Zündstoff. Nach zahlreichen Protesten wurde es 1998 geschlossen.

Heute befinden sich im Weitlingkiez unter anderem noch die Kneipen „Kiste“ und „Piccolo“, beides ebenfalls beliebte Treffpunkte der rechten Szene. Noch immer deklarieren bekennende Neonazis die Gegend zu „ihrem Gebiet“. Außerdem wohnt eine Reihe stadtbekannter Neonazis in der Gegend, darunter viele Mitglieder der vor anderthalb Jahren verbotenen „Kameradschaft Tor“.

Lokale Initiativen wehren sich gegen den rechten Terror. Sie unterstützen die von Berliner Antifa-Gruppen initiierte Kampagne „Hol dir den Kiez zurück“. Die nächste Aktion steht bereits an: Am 9. Dezember wollen Neonazis in Treptow-Köpenick aufmarschieren. Dann geht die Jagd vermutlich in Schöneweide weiter.