Doppeltes Risiko für die Beschäftigten

Die Einführung von Investivlöhnen ist bei der SPD umstritten und stößt auch bei Arbeitgebern und Gewerkschaften auf Widerstand. Gesamtmetall-Chef Kannegiesser: Arbeitnehmerbeteiligung soll nicht Thema in der Tarifrunde 2007 werden

aus BERLIN THILO KNOTT

Die von SPD-Chef Kurt Beck geforderte Einführung von Investivlöhnen stößt selbst in seiner eigenen Partei auf große Skepsis. Arbeitsminister Franz Münteferung (SPD) sagte, er halte die Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer an ihrem Unternehmen für schwer umsetzbar. „Ganz so einfach wie es aussieht, ist es gar nicht“, sagte Müntefering der Bild. Klar sein müssten die Folgen, falls eine Firma in rote Zahlen gerate oder gar pleite gehe. Müntefering sagte aber auch: „Anständige Löhne sind wichtiger – und die Hoheit der Tarifautonomie auch.“

Beck dagegen will mit Kanzlerin Angela Merkel noch vor Weihnachten über die stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital und Ertrag des Arbeitgebers sprechen. Regierungssprecher Thomas Steg erklärte gestern in Berlin, in der großen Koalition werde eine Stärkung von Investivlöhnen derzeit sehr intensiv geprüft. Die CDU hatte die Einführung von Investivlöhnen auf ihrem Parteitag in Dresden vor gut einer Woche beschlossen.

Kritik an dem Vorschlag äußern dagegen sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber. „Investivlöhne wären für die Arbeitnehmer eine doppelte Risikoverteilung, weil sie neben dem Arbeitsplatzrisiko auch noch das Beteiligungsrisiko zu tragen hätten“, sagte IG-Metall-Sprecherin Ingrid Gier der taz. Investivlöhne könne sich die IG Metall allenfalls vorstellen, wenn diese „zusätzlich zum normalen Lohn und auf freiwilliger Basis“ gezahlt würden. Ohnehin sei es im Rahmen des Tarifvertrags Praxis, dass in den Betrieben „zusätzliche Prämien“ ausgehandelt werden könnten. Das habe aber mit der derzeit diskutierten Idee des Investivlohns wenig zu tun.

Auch die Arbeitgeber sind skeptisch gegenüber dem Investivlohn. Martin Kannegiesser, Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, nannte eine Lohnerhöhung über eine Gewinnbeteiligung unmöglich. „Die Welt ist heute anders als zu der Zeit, als die Idee des Investivlohns geboren wurde“, sagte Kannegiesser der FAZ, die wirtschaftlichen Strukturen seien viel zu komplex. Anders als von SPD-Chef Beck angedacht, könne so der Tarifabschluss nicht ein Prozent höher ausfallen. Den Vorschlag von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), die Ausgestaltung des Investivlohns den Tarifparteien zu überlassen, lehnte er ab: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies konkretes Thema der nächsten Tarifrunde wird.“ In der Metall- und Elektrobranche beginnt die nächste Tarifrunde im Frühjahr 2007.

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard gibt dem Thema überhaupt keine Cahnce. Darüber werde seit 30 Jahren diskutiert, ohne dass etwas geschehe. „Das Thema Investivlohn wird sich wahrscheinlich totlaufen“, sagte Wiegard.

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