Lehrern raucht der Kopf

Die Zahl der dauerhaft kranken Lehrer ist weiter gestiegen. Ihre Gewerkschaft fordert deswegen nicht nur mehr Personal, sondern auch die Senkung der Pflichtstundenzahl für Pädagogen

Von Alke Wierth

Ein Blick in die monatlich erscheinende Zeitschrift der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft macht das Dilemma deutlich: Eine Hälfte der in dem Fachmagazin geschalteten Anzeigen wirbt für Lehrmittel oder Klassenfahrtziele. Die andere Hälfte bietet eine ganz andere Sorte von Reisen an: Sanatorien versprechen geplagten PädagogInnen Hilfe bei seelischen und körperlichen Leiden wie Depressionen, Dauerkopfschmerzen, dem Burn-out-Syndrom oder Suchterkrankungen.

Auch in Berlin fordert die in den vergangenen Jahren stetig gewachsene Arbeitsbelastung ihren Tribut. Zirka 30.000 Lehrkräfte gibt es in der Hauptstadt – 25 Prozent weniger als noch Anfang der 90er-Jahre. Die Schülerzahl sank im gleichen Zeitraum nur um 12 Prozent.

87 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer fühlten sich überlastet, meldet die GEW in einer am Dienstagabend unter der Überschrift „Ackern, bis der Arzt kommt“ veröffentlichten Resolution. Das Durchschnittsalter der hiesigen LehrerInnen liegt bei 50 Jahren. Gut ein Drittel der Pädagogen geht mit durchschnittlich 57 Jahren in Frühpension. 900 Berliner Lehrerinnen und Lehrer sind dauerhaft, also seit mindestens drei Monaten ohne Unterbrechung, krankgeschrieben. Das sind 3 Prozent, die zwar in der offiziellen Lehrerstatistik auftauchen, aber nicht mehr in den Stundenplänen der Schulen.

Die von dem ehemaligen Schulsenator Klaus Böger (SPD) stammende Berechnung einer 105-prozentigen Ausstattung aller Schulen mit Lehrkräften würde aber nur unter Einbeziehung dieser dauerhaft Erkrankten funktionieren. Für viele Schulen besteht somit eine Unterversorgung von Beginn des Schuljahrs an. Zwei dauerhaft erkrankte Lehrer reichen an kleineren Schulen nämlich schon aus, um die Unterrichtsversorgung auf unter 100 Prozent zu senken.

Seit langem fordern Gewerkschaft, Lehrerverbände und Opposition deshalb die Neueinstellungen von Lehrkräften. Rund 220 Lehrkräfte müssten sofort eingestellt werden, sagt beispielsweise Erhard Laube, Vorsitzender des Verbandes Berliner Schulleiter (VBS). Sein Verband hatte bei einer Umfrage Anfang November alle Berliner Schulen nach dem aktuellen Versorgungsstand gefragt. Ein Unterrichtsausfall von durchschnittlich rund 4 Prozent kam dabei zutage. Im vergangenen Schuljahr sollen es nach VBS-Angaben noch 3 Prozent gewesen sein. Bis zu sieben Lehrer fehlten an manchen Schulen, berichtet Laube.

In ihrer neuen Resolution fordert die GEW deshalb zusätzlich eine Senkung der Pflichtstundenzahl für Lehrkräfte sowie „wirksame Maßnahmen zu Erhaltung und Stärkung der Gesundheit von Beschäftigten an Schulen“. Begründung: Arbeitgeber seien zu gesundheitsschützenden und -fördernden Maßnahmen für ihre Arbeitnehmer verpflichtet, sagt Manfred Triebe, Lehrer und Leiter der GEW-Arbeitsgruppe „Arbeits- und Gesundheitsschutz“.

Trotz stetig steigenden Arbeitspensums – allein in den vergangenen sechs Jahren wurde die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden für Lehrer zweimal erhöht – sei der Senat dieser Verpflichtung seinen Lehrkräften gegenüber bislang nicht nachgekommen. Triebe sieht darin die „bewusste Inkaufnahme von Gesundheitsgefährdung“: „Die Skala dessen, was einem Lehrer an Arbeitsbelastung zugemutet werden kann, ist nach oben völlig offen.“