„PDS? Das sind alles verkappte Olympia-Fans“

Innensenator Körting (SPD) macht auch Sport – ganz professionell. Seit zwei Wochen ist er zusätzlich für dieses Ressort zuständig. In seinem ersten Zeitungsinterview als Sportsenator fordert er mehr Toleranz auf dem Spielfeld und bessere Schwimmbäder. Für Olympische Spiele sei die Stadt gerüstet

INTERVIEW JOHANNES KOPP

taz: Herr Körting, die Ressortzuständigkeit im Senat ist neu zugeschnitten worden. Seit zwei Wochen sind Sie als Senator auch für den Sport zuständig. Was verbindet Sie persönlich damit?

Ehrhart Körting: Es gehört zu meinem Leben, sich auch körperlich zu betätigen. So gehe ich im Sommer mit meinen Töchtern schwimmen und im Winter fahren wir alle zwei Jahre Ski. Den Leistungssport verfolge ich als Zuschauer. Ich sehe mir sehr gerne Fußballspiele und Skirennen an.

Im kommenden Sommer findet in Berlin eine Weltmeisterschaft statt …

… Moderner Fünfkampf, Frauen und Männer. Das ist ein Sportevent, mit dem sich die Stadt Berlin präsentieren kann. Genauso wie beim Eröffnungsspiel der Handball-Weltmeisterschaft am 19. Januar 2007 oder bei der Leichtathletik-WM 2009.

Sie sind gut informiert. Fühlen Sie sich für Ihre neue Aufgabe gewappnet?

Die wichtigsten Angelegenheiten werden im Senat ressortübergreifend erörtert. Da bekommt man einiges mit. Detailwissen konnte ich mir in der kurzen Zeit noch nicht aneignen. Ich verschaffe mir derzeit einen Überblick.

Was ist Ihnen dabei aufgefallen?

Ein Problem ist, dass wir in puncto Sanierung von Sportanlagen noch vieles mehr tun müssten, als uns möglich ist. Ich denke da etwa an die Bäder. Hier müssen wir prüfen, was man bei der Haushaltssituation abwarten kann und was nicht.

Was bedeutet das konkret: Muss noch mehr gespart werden?

Das ist nicht meine Philosophie. Der Sport erfüllt wichtige gesellschaftliche Aufgaben. Es gibt keine bessere Prävention gegen Jugendkriminalität als die Verankerung von Kindern und Jugendlichen in Sportvereinen. Deshalb geht es in den nächsten Jahren nicht um Sparmaßnahmen, sondern um die Überprüfung von Prioritätensetzungen. Der Aspekt der Gewaltprävention, der mir vorschwebt, stimmt jedoch mit der sportpolitischen Konzeption überein, die mein Vorgänger Klaus Böger vertreten hat.

Sport wirkt nicht nur präventiv. In der letzten Zeit mehren sich die Schlagzeilen über zunehmende Gewalt und Intoleranz auf deutschen Fußballplätzen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Es gilt zwei Problemfelder. Zum einen haben wir spezifische Probleme bei einigen Regionalliga- und Oberligaspielen im Fußball, den Hooliganismus. Zum anderen haben wir in den unteren Klassen zunehmend Probleme zwischen ethnisch gruppierten Vereinen, wenn etwa dort ein rein deutsches Team auf ein rein türkisches trifft. Berlin ist eine Stadt mit großen Ausländeranteilen. Hier wird man nur im Gesamtzusammenhang zu einer Lösung kommen: in einer gegenseitigen Toleranz, die sich erst recht auf dem Spielfeld darstellen muss.

Aber wie wäre das zu erreichen?

Ich glaube, wirklich nur mit einer permanenten Ansprache. Insofern mag sogar skandalisierende Berichterstattung manchmal hilfreich sein, weil sie auf das Problem aufmerksam macht. Anders als durch Bewusstseinsbildung habe ich keine Chance, die Dinge wirklich zu verändern. Hier sind auch die Vereine und Verbände gefordert. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der verbindende, integrative Charakter von Sport nicht zu kurz kommt.

Inwieweit sehen Sie die Politik in der Verantwortung und was wollen Sie tun?

Mit letzterer Frage überfordern Sie mich nach 14 Tagen Ressortzuständigkeit. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Politik, vernünftige Rahmenbedingungen für die Vielzahl der ehrenamtlich Arbeitenden zu schaffen. Viel mehr sollte man aber nicht von Staatsseite intervenieren. Sport sollte weiterhin sich selbst organisieren.

Die Ehrenamtlichen sind jedoch auf professionelle Hilfe angewiesen. Der Senat hat in der Vergangenheit auch ein Gewaltpräventionsprojekt des Fußballverbandes unterstützt. Wollen Sie angesichts der verschärften Problemlage hier mehr finanzielle Mittel freimachen?

Ich sehe die primäre Frage bei Prävention nicht im finanziellen Bereich. Es ist eine falsche Vorstellung, wenn man die Gewalteindämmung primär als staatliche, fast repressive oder sozialarbeiterische Tätigkeit betrachtet. Diese muss eigentlich viel früher beginnen – im Bereich der Elternhäuser.

Vom sächsischen Innenministerium wurde vorgeschlagen, Profi- und Amateurvereine sollten an den Kosten für die Polizeieinsätze beteiligt werden. Was halten Sie davon?

Ein sehr nachvollziehbarer, aber illusorischer Vorschlag. Bei Amateurvereinen wird die Finanzkraft nicht ausreichen, um Polizeieinsätze mit zu bezahlen.

Vom Verantwortlichkeitsgrundsatz finden Sie den Vorschlag aber richtig?

Ja, wobei noch wichtiger etwas anderes ist: Die Vereine müssten durch einen vernünftigen Ordnereinsatz einen Polizeieinsatz überflüssig machen. Vom Grundsatz her müssen sie solche Spiele selbst organisieren und sichern.

Das ist doch ebenso unrealistisch wie der Vorschlag aus Sachsen.

Für den Ordnereinsatz könnten schon mehr ehrenamtliche Leute angeworben werden. Diese müssten für vernünftige Einlasskontrollen sorgen, um am Eingangstor schon die Spreu vom Weizen zu trennen.

Die rot-rote Koalition will die Olympischen Spiele 2020 nach Berlin holen. Vor kurzem argumentierte die Linkspartei wegen angeblich zu hoher Unkosten noch dagegen. Wie haben Sie Ihren Koalitionspartner denn zur Kehrtwende bewegen können?

Berlin hat eine hervorragende Figur bei der Fußball-WM gemacht. Insofern lag eine gewisse Logik dahinter, sich jetzt um die Olympischen Spiele zu bemühen. Sie sind für jede Stadt und Metropole ein herausragendes Ereignis. Weshalb die Linkspartei zugestimmt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich glaube, das sind alles verkappte Anhänger der Olympischen Spiele.

Müssen nun andere Projekte zurückstehen?

Sie dürfen nicht vergessen: Ein Großteil wird vom Bund finanziert. Die Spiele werden ja auch als nationales Ereignis betrachtet. Die Kosten, die für Berlin anfallen, dürfen jedenfalls nicht dadurch kompensiert werden, dass man sagt: Wir renovieren jetzt keine Schulen mehr.

Berlin wird aber im Vergleich zur Fußball-WM ein Vielfaches investieren müssen.

Davon würde ich nicht ausgehen. Berlin hat einen nicht unerheblichen Teil von betriebsbereiten Sportstätten und ein bereits modernisiertes Olympiastadion.

Aber die Ansprüche an Stadien und Infrastruktur sind in einigen Jahren doch wieder andere.

Ja, und die Ansprüche der internationalen Verbände wachsen ins Unermessliche. Da muss man ganz nüchtern sehen, was man sich leisten kann und was nicht.

Der Sicherheitsaspekt gewinnt bei den Spielen immer mehr Bedeutung. Die Verantwortung für diesen Bereich wiegt schwer. Sie sind jetzt 64 Jahre alt und im Jahre 2020 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr im Amt. Sind sie froh darüber?

Ich habe einen hochspannenden und befriedigenden Job. Deshalb würde ich es als große Herausforderung betrachten, im Jahre 2020 Innensenator bei den Olympischen Spielen zu sein. Ich nehme an, dass die Medizin bis dahin nicht solche Fortschritte gemacht hat, dass das möglich sein wird.