Senat dreht den Spieß um

Gesundheitssenatorin wusste drei Monate nichts von verdorbenem Fleisch, das in Moabit gefunden wurde. Opposition spricht von Vertuschung und Skandal, Senat von Salmonellenvorfall

Von NINA APIN

Die ehemalige Gesundheitssenatorin Heidi Knaake-Werner steht nach der Kommunikationspanne um die Gammelfleischfunde in Moabit unter Druck. Heute soll ihre Verwaltung einen Bericht darüber vorlegen, warum der Fall fast drei Monate lang nicht an die Öffentlichkeit kam.

Der Opposition genügt das nicht, sie fordert zusätzlich eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses. „Wir wollen den Skandal aufklären, auch um möglicherweise vorhandene Sicherheitslücken in der Berliner Lebensmittelkontrolle schließen zu können“, sagte FDP-Gesundheitsexperte Kai Gersch. Mario Czaja, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, sprach vom „Versagen im Katastrophenfall“ und forderte ein parlamentarisches Nachspiel. Der verbraucherpolitische Sprecher der Grünen, Michael Schäfer, mutmaßt sogar, dass der Fund aus Rücksicht auf die zum damaligen Zeitpunkt laufenden Koalitionsverhandlungen bewusst nicht bekanntgemacht wurde. Die Sprecherin der Gesundheitsverwaltung, Roswitha Steinbrenner, weist solche Spekulationen als „völlig absurd“ zurück: „Es wurde nichts vertuscht, der Fall wurde routinemäßig und einwandfrei abgearbeitet“, sagte sie der taz.

Am 21. September wurden bei einer Regeluntersuchung in einem Großmarkt in der Beusselstraße 95 Tonnen verdorbenes Putenfleisch sichergestellt und zur Analyse dem Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen (Ilat) übergeben. Das Fleisch, das für die Dönerproduktion bestimmt war, stammte von einem italienischen Händler. Von den 25 entnommenen Proben beanstandete das Ilat 19 wegen Salmonellenkeimen, Gefrierbrand und ranzigen Geruchs. Das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt in Mitte gab eine EU-weite Warnmeldung heraus. Bereits verkaufte Lieferungen aus dem Betrieb wurden bis nach Brandenburg und Schweden zurückverfolgt, in Kreuzberg wurden Restbestände sichergestellt und sofort vernichtet. Die Verwaltung versäumte es allerdings, die Senatorin rechtzeitig von den Funden in Kenntnis zu setzen.

„Spätestens als die Veterinär- und Lebensmittelämter von Land, Bund und EU eingeschaltet wurden, hätte routinemäßig auch die Leitung informiert werden müssen“, sagt Steinbrenner. Das war am 9. November. Doch Knake-Werner und die Öffentlichkeit erfuhren von den Gammelfleischfunden erst, als bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Firmengeschäftsführer ermittelt – letzte Woche.

Nach Aussage Steinbrenners hatte eine unerfahrene Urlaubsvertretung im Fachreferat für Lebensmittelaufsicht die Tragweite der Fleischfunde falsch eingeschätzt. „Wäre Frau Knake-Werner rechtzeitig informiert worden, hätte sie auf jeden Fall sofort die Öffentlichkeit benachrichtigt, betonte sie. Für die Verbraucher habe zu keiner Zeit Gefahr bestanden, Salmonellen verlören bei der Erhitzung von Speisen ihre gesundheitsschädigende Wirkung. „Von Gammelfleisch kann man in diesem Fall wirklich nicht sprechen“, sagte Steinbrenner und wies darauf hin, dass Salmonellenbefall bei Geflügel häufig auftrete und nichts mit Überlagerung zu tun habe. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unterdessen gegen den Geschäftsführer der Moabiter Firma.