Seehofer bringt Gentechnik auf den Tisch

Novelle des Gentechnikgesetzes: Kritiker fürchten eine „schleichende Grundkontamination“ von Lebensmitteln

BERLIN taz ■ „Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) will die Gentechnik durch die Hintertür einführen“, warnt die Umweltschutzorganisation BUND. Sollte Seehofer sich mit seinen Eckpunktepapier für einen neues Gentechnikgesetz durchsetzen, „hätte dies zwangsläufig einen schleichende gentechnische Verunreinigung unserer Lebensmittel zur Folge“, sagte gestern die Gentechnik-Expertin des BUND, Heike Moldenhauer, voraus.

Die Umweltschützerin fürchtet eine „allgegenwärtige Grundkontamination“. Dem Verbraucher werde die Wahl für oder gegen Gentechnik genommen. Die Koalition hat vereinbart, die Gentechnik in Deutschland zu fördern. Horst Seehofer hat dazu nun die Eckpunkte festgelegt. Sie wurden vor knapp zwei Wochen bekannt. Vor allem drei Punkte hält Moldenhauer dabei für problematisch: Genbauern müssen zu konventionellen Äckern zwar einen Sicherheitsabstand einhalten. Aus Sicht der Umweltschützer reicht er aber nicht aus. Zudem kritisieren sie das Standortregister. Dort soll künftig nicht mehr das Flurstück mit den Gentech-Pflanzen aufgeführt werden, sondern nur noch grob die Gemeinde. Und Genbauern werden künftig weniger stark für Schäden belangt.

Seehofer wollte ursprünglich einen Haftungsfonds einführen. Aus ihm sollte das Geld kommen, mit dem Schäden beglichen werden. Die Gentechnik-Industrie sollte ihn finanzieren, doch weigerte sie sich. Nun will Seehofer stattdessen die Haftung drastisch einschränken. Sie soll nur noch greifen, wenn die Ernte eines Nachbarbauern mit mehr als 0,9 Prozent mit Gentechnik verunreinigt ist. Von diesem Wert an muss die Ware auch als „Gentech-Produkt“ gekennzeichnet werden. BUND-Expertin Moldenhauer prophezeit: Werden so hohe Schwellen gesetzt, sind langfristig alle Agrarprodukte verunreinigt. Für Gentech-Landwirte bestünde kein Anlass mehr, die Kontaminationen weitestgehend zu begrenzen. Hinzu kommt, dass für Pflanzen, die zur Energiegewinnung angebaut werden, überhaupt keine Haftung vorgesehen ist.

Im Vergleich zum allgemeinen Nachbarschaftsrecht will Seehofer für die Gentechnik zudem ein Sonderrecht schaffen: Schadenersatz sollen nur noch „unmittelbare“ Nachbarn bekommen. Ein Bauer, der auf seinem Feld 500 Meter vom Genacker entfernt Genpollen findet, bleibt auf dem Schaden sitzen.

Noch ist Seehofers Plan nicht vom Kabinett abgesegnet. Er hat sich bisher nur mit Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) abgesprochen. Die Stellungnahme des SPD-geführten Umweltministeriums steht noch aus. Diese Woche wird sich erst einmal die SPD-Fraktion mit Seehofer Papier beschäftigen. Der BUND-Sprecher für Agrarpolitik, Professor Hubert Weiger, hofft, dass dort eine „klare Position für den Verbraucherschutz“ bezogen wird. WOLFGANG LÖHR