Keiner stoppt den Krieg

Die Gewalt in Darfur und in den Nachbarländern breitet sich aus. Doch keine Regierung muss Kritik fürchten

von DOMINIC JOHNSON

Es war ein Vorfall, wie er in Darfur alltäglich ist. Ein Konvoi mit Flüchtlingen und medizinischen Hilfsgütern geriet am Samstag zwischen der Provinzhauptstadt El Geneina und dem Ort Sirba unter Beschuss. Die Angreifer, nach Angaben des Mitarbeiters einer Hilfsorganisation Mitglieder der regierungstreuen sudanesischen Janjaweeed-Miliz, kamen zu Pferd und führten Raketenwerfer und Gewehre mit sich. „Manche Menschen wurden erschossen, andere verbrannt“, sagte UN-Sprecherin Radhia Achouri. „Schätzungsweise etwa 30 Menschen wurden getötet.“

Polizei transportierte schließlich die Leichen in ein Flüchtlingslager am Rande von El Geneina. Dort brachen daraufhin wütende Demonstrationen aus. UN-Hilfswerke und die Garnison der Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (AU) waren eingekesselt. Ein AU-Team wurde in Sirba von aufgebrachten Einheimischen als Geiseln genommen.

El Geneina, Hauptstadt der Provinz Westdarfur an der Grenze zum Tschad, ist bereits die zweite der drei Provinzhauptstädte von Darfur, wo sich Spannungen zwischen Bevölkerung, Sicherheitskräften und ausländischen Helfern und Beobachtern zuspitzen. In El Fasher, Hauptstadt von Norddarfur, mussten am 5. Dezember 135 ausländische Helfer evakuiert werden, nachdem Janjaweed-Milizionäre die Stadt besetzten. Zwei Menschen wurden Ende letzter Woche auf dem Markt von El Fasher erschossen.

In der nahen Stadt Kutum geriet am Freitag das Gelände des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) unter Beschuss; zehn seiner ausländischen Mitarbeiter mussten evakuiert werden. Lediglich in Nyala, Hauptstadt von Süddarfur und Zentrum der UN-Hilfsoperation in der Region, ist es derzeit ruhig.

Die ständige Verschlechterung der Lage in Darfur geht einher mit anhaltenden Kämpfen in den Nachbarländern Tschad und Zentralafrikanische Republik, wo Rebellen mit sudanesischer Unterstützung die Regierungen bekriegen. Im Osten des Tschad tobten am Wochenende heftige Kämpfe um den Ort Biltine; die Rebellen sagen, sie hätten der Regierungsarmee Verluste in dreistelliger Höhe zugefügt. Im Norden der Zentralafrikanischen Republik meldete die Regierung hingegen am Sonntag die Rückeroberung aller von Rebellen gehaltenen Städte. Hier haben Luftwaffe und Spezialeinheiten aus Frankreich mehrmals auf Regierungsseite eingegriffen.

Keine der Regierungen von Sudan, Tschad und Zentralafrikanischer Republik muss jedoch Kritik wegen ihrer Kriegführung fürchten. Wenn heute der UN-Menschenrechtsrat in einer Sondersitzung erneut über Darfur berät, dürfte eine Mehrheit arabischer und afrikanischer Länder dafür sorgen, dass Sudans Regierung nicht namentlich verurteilt wird – wie bereits im November.

Die Staaten Afrikas unterstützen in jedem Land die jeweilige Regierung. Eine Alternative wird international nicht angeboten. In Tschad und der Zentralafrikanischen Republik läuft die gesamte internationale Aktivität über Frankreich, das in den beiden Ländern rund 1.500 Soldaten stationiert hat und beide Regierungen militärisch stützt. Kritik daran ist in Paris unerwünscht, denn dies ist der letzte Rest des französischen Hinterhofs in Afrika.

In Darfur läuft alles über die AU-Truppe „Amis“, obwohl diese vor Ort als diskreditiert gilt. Am Freitag wird der Bundestag wohl erneut ein nie benutztes Mandat zur Entsendung von bis zu 200 deutschen Soldaten zur Unterstützung der AU-Truppe in Darfur verlängern. Weil Sudans Regierung eine UN-Truppe in Darfur ablehnt, soll ab 2007 „Amis“ einfach größer werden – aber es gibt dafür keine Finanzierung und kein Konzept, sie politisch zu effektivieren.

Für die Alternative – eine größere Rolle der UNO und die Förderung politischer Reformen in jedem der drei Länder – wird die Zeit knapp. Dem neuen UN-Generalsekretär ab 2007, Ban Ki-Moon, wird Darfur weniger am Herzen liegen als Amtsinhaber Kofi Annan. Der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Jan Pronk, verlässt sein Amt dieser Tage ebenso wie der Chef der humanitären UN-Abteilung, Jan Egeland – damit gehen zwei prominente Kritiker der Verhältnisse in der Region. Kurz nachdem Menschenrechtsaktivisten weltweit am Sonntag das Leiden in Darfur beklagten, überlässt die internationale Gemeinschaft den Krieg der Region sich selbst.