Wowereit macht sich lieb Kind

Eine Kreuzberger Schule wurde mit der „Berliner Tulpe“ ausgezeichnet. Bevor Klaus Wowereit den Preis übergab, entschuldigte er sich – ein wenig. Er hatte den dortigen Schulen schwer mitgespielt

von WALTRAUD SCHWAB

„Ich freue mich, dass die Lemgo-Grundschule unter den Preisträgern ist“, sagt Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister bei der Verleihung der „Berliner Tulpe“ am Montagabend. Der von der Körber-Stiftung ausgelobte Preis ehrt Projekte, die sich um den deutsch-türkischen Gemeinsinn in Berlin verdient machen. Der Verein der Freunde der Lemgo-Grundschule, die in Kreuzberg unweit des Kottbusser Damms liegt, gehört zu den drei Geehrten.

Die Brisanz der Auszeichnung für die Lemgo-Grundschule mit ihren 570 SchülerInnen und 44 LehrerInnen entgeht dem Hausherrn des Roten Rathauses, wo die Verleihung stattfindet, nicht. Denn wenige Tage zuvor hatte er alle Kreuzberger Schulen auf einen Schlag diskreditiert. Als er bei einem Interview des Nachrichtensenders N24 gefragt wurde, ob er, so er denn Kinder hätte, diese in eine der dortigen Schulen schicken würde, sagte er „nein“. Er zeigte sogar Verständnis für alle Eltern, die das tatsächlich nicht tun.

Die Preisverleihung wurde zur Nagelprobe. In der Einführungsrede spricht Wowereit darüber, „dass wir nur eine Chance haben, eine offene Gesellschaft zu schaffen“, und dass nicht nur den Zuwanderern Integration abverlangt wird. „Auch die Berliner müssen begreifen, dass Vielfalt keine Gefahr ist.“ Er bedauert, dass in den Zeitungen viel über die Probleme der türkeibezogenen Community berichtet wird und wenig über gelungene Integration. Dann erst fügt er „aus aktuellem Anlass“ und „in eigener Sache“ ein Statement an: Sollte sein Nein zu den Kreuzberger Schulen so verstanden worden sein, dass dort keine hervorragende Arbeit geleistet werde, dann „war das überhaupt nicht so gemeint“. Er habe nicht diskriminieren wollen. „Wenn es so empfunden wurde und in der Berichterstattung so herumgekommen ist, dann ist es politisch falsch gewesen, es so zu sagen. Es ist missverständlich und dafür entschuldige ich mich hier.“ Für diese Ausführungen erntet der Regierende Bürgermeister von den 300 Gästen spontanen Applaus, der aber schnell verebbt, nachdem die Entschuldigung entschlüsselt ist: Wowereit hat nichts Falsches gesagt, es wurde von den Medien und einigen Leuten nur falsch verstanden. Ein hartgesottener Weddinger, der sich neben den vielen KreuzbergerInnen im Publikum befindet, kommentiert das Ereignis so: „Das Ding ist in der Welt. Aber immerhin hat Wowereit genug Arsch in der Hose, um sich zu entschuldigen.“

Mit der Lemgo-Grundschule teilt sich die Aktion „Buntes Kreuzberg“, eine Anwohnerinitiative des AWO-Begegnungszentrums, den zweiten Preis. Der erste Preis geht ebenfalls an eine Kreuzberger Truppe: den Diyalog e.V. Es ist das 1983 von türkischstämmigen Enthusiasten gegründete Theater.

In Hamburg verleiht die Körber-Stiftung seit 1999 die Tulpe an Projekte, die den deutsch-türkischen Austausch stärken. Zum ersten Mal wurde der mit 10.000 Euro dotierte Preis auch in Berlin vergeben.

Die echte, botanische Tulpe sei ein Beispiel für gelungene deutsch-türkische Integration, erklärt Wolf Schmidt von der Körber-Stiftung. Sie komme aus Anatolien und Vorderasien. Vor 300 Jahren sei sie zum Hit in Nordeuropa geworden und habe sich voll akkulturiert.