Gnadenlos mitgeschnitten

Schmutzgeschichten verfolgen den früheren Hamburger Innensenator Ronald Schill bis an seinen geheimen Aufenthaltsort: Im Büro seiner früheren Partei wurden Gespräche abgehört. Noch ist unklar wer von wem aus welchen Gründen belauscht wurde

VON ELKE SPANNER

Die Zeit, in der Ronald Schill in Hamburg eine Rolle spielte, ist endgültig vorbei. Der Mythos um Schill und seine Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO) aber hat wieder neue Nahrung bekommen: Gestern wurde bekannt, dass in der damaligen Parteizentrale geführte Gespräche und Telefonate abgehört und auf Kassetten aufgezeichnet wurden. Von wem und warum? Man weiß es nicht.

Bekannt ist bislang nur, dass 57 Bänder à 90 Minuten existieren. Sie geben Gespräche wieder, zu denen es in einem Besprechungsraum der PRO-Zentrale gekommen ist. Ebenso sind Telefonate aufgezeichnet, die unter der Nummer des dortigen Apparates eingegangen sind. Die Bänder müssen offenbar intern aufgezeichnet worden sein, denn der Vorsitzende der PRO-Nachfolgepartei Offensive D, Alexander von der Marwitz, fand sie, als er alte Kartons der Schill-Partei mit Büromaterial durchsah. Als die PRO sich nach dem Debakel um ihren Gründer aufgelöst hatte, sei das Inventar der Parteiräume in 40 Umzugskartons verpackt worden. Die Kisten kamen zunächst in die Berliner Bundeszentrale der Nachfolgepartei Offensive D. Als die im März dieses Jahres aus Kostengründen geschlossen und nach Hamburg verlegt wurde, zogen auch die alten Umzugskartons wieder mit. Von der Marwitz öffnete sie.

Was er dort alles vorfand, hat ihn veranlasst, mehrere Strafanzeigen gegen frühere PRO-Führungsköpfe sowie Senatskollegen aus der CDU zu erstatten. Allerdings greift von der Marwitz gern zum Mittel der Strafanzeige – bei der Hamburger Staatsanwaltschaft sind zahlreiche von ihm erstattete Anzeigen bekannt. Doch der Offensive D-Vorsitzende beteuert aufgeregt, tatsächlich auf heikles und belastendes Material gestoßen zu sein. So sei auf den Tonbändern davon die Rede, dass Schill durchaus ein Kokser gewesen sei – ein Vorwurf, den der damalige Innensenator selbst vehement bestritten hatte. Im Februar 2002 hatte er sich zum Beweis einem Haartest unterzogen. Dessen Ergebnis war negativ. Schon damals wurden in der Hansestadt Zweifel daran laut, dass es nicht das Haar von Schill selbst gewesen sei, das einer Münchner Klinik zur Untersuchung vorlag. In einem der aufgezeichneten Telefonate habe ein männlicher Anrufer gehöhnt: „Das weiß doch jeder, dass Schill kokst.“

Zudem sollen die Mitschnitte laut von der Marwitz deutliche Hinweise darauf geben, dass Mitglieder der PRO-Führungsriege ebenso wie des damaligen Regierungspartners CDU gute Kontakte zur Familie Osmani unterhielten – einer albanischstämmigen Familie, die es auf dem Hamburger Kiez zu einem Millionenvermögen brachte. Burim Osmani sitzt seit Mai in Nürnberg in Untersuchungshaft. Gegen ihn und seinen Bruder Bashkim ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Auf den Tonbändern wird offenbar auch immer wieder der Name Wolfgang Barth-Völkel erwähnt. Schon vorher war bekannt, dass der Flohmarktorganisator und frühere „gesundheitspolitische Sprecher“ der Partei Mitte der Neunzigerjahre Geschäftsführer im Wandsbeker Nachtlokal „Corner 57“ von Felix Osmani war. Zusätzlich sei aus den Aufzeichnungen zu erfahren, dass einer der Söhne Barth-Völkels „einen Osmani“ zum Patenonkel habe.

Unter den früheren Funktionären der Schill-Partei jedenfalls ist die Aufregung jetzt groß. „Sie ahnen gar nicht, wer mich alles anruft und fragt, ob er auch auf den Bändern sei“, sagt der Offensive D-Vorsitzende und freut sich: „Das ist Watergate in Hamburg.“

Die Bänder hat er inzwischen an einem „sicheren Ort“ deponiert. Der Staatsanwaltschaft hat er sie nicht übergeben. Die vermag zu der dubiosen Geschichte bislang nichts zu sagen. „Wenn irgendwelche Leute irgend jemanden abhören, kann das natürlich strafbar sein“, sagt Sprecher Rüdiger Bagger. In Betracht käme das Delikt der „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“. Mehr sei ihm über den Fall bisher aber nicht bekannt. Auch die früheren PRO-Mitglieder sind offenbar weitgehend ahnungslos. Wolfgang Barth-Völkel sagt, dass er von den Bändern zum ersten Mal hört. „Vielleicht hat der Schriftführer bei Besprechungen mal ein Band mitlaufen lassen, um nicht alles mitschreiben zu müssen?“, mutmaßt er. Auch die frühere Parteisprecherin Karina Weber sagt, sie habe von der Abhör-Affäre bis gestern nichts gewusst. Wirklich verwundert aber ist sie nicht: „Es gibt schon einige aus der Partei, denen ich so etwas zutrauen würde.“