Der große Schadstoff-Deal

Bis zu fünf neue Kohlekraftwerke sollen in Norddeutschland gebaut werden. Staatlich subventioniert und mit der Lizenz zum Schadstoffausstoß – so will es der Emissionshandel

VON NILS NABER
UND SVEN-MICHAEL VEIT

An Elbe und Weser sollen in den kommenden Jahren bis zu fünf neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Der Energiemulti Vattenfall, Deutschlands drittgrößter Stromkonzern, will im Hamburger Hafenstadtteil Moorburg für rund 1,7 Milliarden Euro eine 1.640 Megawatt starke Anlage errichten. Diese könnte jährlich rund 3,6 Millionen Vier-Personenhaushalte mit Strom versorgen. In Bremen plant der Energieversorger swb ein Steinkohlekraftwerk, das allerdings nur halb so groß sein soll. Die 800-Megawatt-Anlage soll auf dem Gelände der Stahlwerke Bremen errichtet werden. Beide Kraftwerke sollen bis 2012 fertig sein und rund 40 Jahre lang Strom liefern.

Am rührigsten aber ist die belgische Electrabel, ein Tochterunternehmen des französischen Atomkonzerns Suez. Sie gab jetzt bekannt, Anfang 2007 über den Bau von drei Kohlekraftwerken in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) und Stade (Niedersachsen) an der Elbe sowie in Wilhelmshaven in unmittelbarer Nähe zum geplanten Tiefwasserhafen JadeWeserPort zu entscheiden. Pro Standort verspricht Electrabel rund 100 Dauerarbeitsplätze sowie 1.500 während der Bauphase. Zum Investitionsvolumen machte das Unternehmen keine Angaben, Branchenkenner rechnen mit rund 800 Millionen Euro pro Kraftwerk.

Für Brunsbüttel liege ein Vertrag über den Netzanschluss bereits vor, für die beiden anderen Standorte seien diese mit dem Netzbetreiber E.on nun „unterschriftsreif“ ausgehandelt, gab Electrabel bekannt. Wenn Vorstand und Aufsichtsrat den Bau beschließen, könnte das erste Kraftwerk in Brunsbüttel bereits 2010 in Betrieb gehen.

Umweltschützer kritisieren, dass die Kohlekraftwerke doppelt so viel klimaschädigendes Kohlendioxid ausstoßen würden wie Gaskraftwerke mit der gleichen Leistungsfähigkeit. „Aus Umweltgesichtspunkten ist es nicht sinnvoll, auf Kohle zu setzen“, sagt Christian Backes vom BUND in Hamburg. Außerdem wäre bei einem Gaskraftwerk der Wirkungsgrad mit rund 60 Prozent deutlich besser als bei einem Steinkohlekraftwerk, das nur etwa 45 Prozent der entstehenden Energie in Strom umwandeln kann.

Ivo Banek, Sprecher der Hamburger Vattenfall-Filiale, setzt hingegen auf die Sicherheit der Versorgung. Russland habe gezeigt, wie schnell es den Gashahn zudrehen könne. Außerdem sei die zu verfeuernde Steinkohle fast ausschließlich importiert und damit billiger: „Steinkohle rechnet sich“, sagt Banek.

Aber nur, weil Steinkohlekraftwerke beim Emissionshandel begünstigt würden, sagt BUND-Klimaexperte Matthias Seiche (siehe Kasten). Nach den Vorstellungen des Bundesumweltministeriums sollten Kohlekraftwerke ab 2008 „mehr als doppelt so viele Emissionsrechte bekommen wie Gaskraftwerke“, sagt Seiche. Ministeriums-Sprecherin Frauke Stamer bestätigt das. Energieunternehmen bekämen für Kraftwerksneubauten so viele Zertifikate, „wie ihrem tatsächlichen Bedarf entsprechen“, sagt sie – je höher die Emissionen, desto mehr Zertifikate. Allerdings hat die EU-Kommission die deutschen Pläne zur Zertifikatsverteilung wiederholt verworfen – unter anderem, weil man bei neuen Kohle-Kraftwerken zu großzügig verfahre. Ob Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in diesem Punkt nochmals nachgibt, ist offen.

Seinen Bedarf an Standorten hat Electrabel bereits gestillt. In Stade kaufte das Unternehmen im Sommer eine Teilfläche des dortigen Aluminiumwerkes, das der norwegische Mischkonzern Norsk Hydro Ende des Jahres schließen will. In Wilhelmshaven kann Electrabel über einen Erbbauvertrag Flächen auf dem Gelände von Niedersachsen Ports nutzen. In Brunsbüttel soll das Kraftwerk auf dem Gelände der Bayer AG entstehen. Das dortige Projekt befinde sich schon im Genehmigungsverfahren, während in Stade und Wilhelmshaven die Vorbereitungen dafür noch laufen.