Heu ohne Schrecken

Die Finanzinvestoren Permira/KKR kaufen die Mehrheit an Deutschlands größtem TV-Konzern ProSiebenSat.1 – der „Fun-Freitag“ ist nicht bedroht

VON DETLEF GÜRTLER

Würden die Heuschrecken sich wie Heuschrecken benehmen, müsste ihnen das Land ausnahmsweise einmal dankbar sein. Dann könnten wir nämlich jetzt für ProSieben, Sat.1, Kabel 1, N24 und – super! – Neun Live das Totenglöckchen läuten. Denn die Unternehmen Permira und KKR, die sich gerade für drei Milliarden Euro die Mehrheit der ProSiebenSat.1 AG (P7S1) gekauft haben, gehören zu den größten Häusern jener Private-Equity-Branche, auf die Franz Müntefering seinen Heuschrecken-Vorwurf münzte: einfliegen, kahl fressen, abhauen.

Aber ganz so schnell werden wir wohl nicht vom „Fun-Freitag“, von „TV Total“ und dem „Hot Button“ erlöst. Denn zunächst versprechen die neuen Eigentümer des größten deutschen Fernsehkonzerns eine Wachstumsstrategie. P7S1 soll mit der Sendergruppe SBS Broadcasting zusammengelegt werden, die in Nord- und Osteuropa insgesamt 19 Free- und 20 Pay-TV-Kanäle betreibt. Sie wurde im August 2005 für 1,7 Milliarden Euro von Permira und KKR übernommen.

KKR und Permira versprechen sich von einer Fusion der beiden Gruppen eine größere Marktmacht gegenüber Werbekunden und Filmhändlern. Das Bundeskartellamt, das Anfang des Jahres einen Verkauf von P7S1 an den Springer-Konzern verhinderte, wird aber gegen den sich so formierenden europäischen Medienkonzern wohl kaum Einwände erheben: In Deutschland ändert sich durch den Verkauf ja faktisch nichts an den bestehenden Machtstrukturen, und bei der Betrachtung auf europäischer Ebene schlösse ein aus P7S1 und SBS entstehendes Unternehmen nur zur bereits ähnlich weit verbreiteten RTL-Gruppe auf.

Sowohl Permira als auch KKR sind in Deutschland keine Unbekannten. Das britische Private-Equity-Haus Permira kann sogar einschlägige Branchenerfahrung vorweisen: Im Jahr 2003 übernahmen sie den Pay-TV-Sender Premiere aus der Konkursmasse des Kirch-Imperiums, brachten ihn in die Gewinnzone – und im März 2005 an die Börse. Die letzten noch verbliebenen Premiere-Anteile wurden im vergangenen Monat verkauft.

KKR, die Abkürzung steht für Kohlberg, Kravis, Roberts, kann den zweifelhaften Ruhm beanspruchen, als erstes Private-Equity-Unternehmen für weltweite Schlagzeilen gesorgt zu haben. Das war 1989, als die New Yorker Beteiligungsgesellschaft den Lebensmittel- und Tabakmulti RJR Nabisco für 31 Milliarden Dollar kaufte, in Einzelteile zersägte und diese für wesentlich mehr Geld weiterverkaufte.

Damals verdiente sich KKR nicht nur eine goldene Nase, sondern auch den Ehrentitel „Raider“, Räuber, was angelsächsischen Investoren viel besser in den Ohren klingt als Münteferings Heuschrecken. Was die Branche angeht, ist KKR nicht wählerisch: In Deutschland waren vor P7S1 unter anderem der Telekommunikationsdienstleister Tenovis und der Müllentsorger Duales System Deutschland (DSD) an der Reihe.

Während DSD noch zum KKR-Reich gehört, ist Tenovis bereits weiterverkauft – an ein anderes Private-Equity-Haus. Diese Art von „Exit“ wird in der Branche häufig praktiziert. Der Verkäufer bringt so seine Schäfchen ins Trockene, und der Käufer muss darauf hoffen, dass auch er noch jemanden findet, der ihm so viel für seine Anteile zahlt, dass er ebenfalls mit Gewinn aussteigen kann. Haim Saban ist das gelungen: Er hatte seine P7S1-Aktien für 7,50 Euro pro Stück eingekauft – Permira und KKR zahlen ihm jetzt gut das Vierfache.