Muslime boykottieren Mozart

Unter Polizeischutz wird die abgesetzte Mozart-Oper „Idomeneo“ heute aufgeführt. Immer mehr derjenigen Muslime, die die Oper besuchen wollten, sagen allerdings ab

BERLIN taz ■ Nichts Geringeres als die Freiheit der Kunst soll heute Abend bei der Wiederaufnahme der Mozart-Oper in Berlin demonstriert werden. Doch nicht alle möchten solidarisch sein. 6 von 15 geladenen muslimischen Verbänden werden bei der Aufführung nicht vertreten sein, sagte Stefan Kaller, Sprecher des Bundesinnenministeriums.

So begründet der Generalsekretär des Zentralrats, Aiman Mazyek, seine Absage damit, dass er sich „politisch instrumentalisiert“ fühle. Deswegen werde er nicht der Einladung von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) folgen, der die Teilnehmer der ersten deutschen Islamkonferenz zu dem Opernbesuch einlud. „Ich gehe in die Oper, um mich zu entspannen und nicht, um Religion, Kunst und Politik in einen Topf zu werfen“, sagte Mazyek.

Zu denen, die absagten, gehört auch Ali Kizilkay, Vorsitzender des Islamrats. Er findet den Vorschlag, die Teilnehmer der Islamkonferenz sollten geschlossen die Aufführung besuchen, als „ein bisschen populistisch“. Deswegen wird auch er nicht im Publikum sitzen. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, findet es „schade, dass man sich nicht gemeinsam für die Kunstfreiheit einsetzt“. Er jedenfalls freut sich auf die Aufführung.

Der Oper „Idomeneo“ liegt ein französisches Drama zugrunde. Jetzt aber handelt es sich um ein deutsches Drama. Auch wenn der Sprecher der Deutschen Oper, Alexander Busche, der taz versicherte, es sei „eine ganz normale Wiederaufnahme“, wird es genau das nicht werden. Denn auch die Polizei wird der Musik lauschen. Im Foyer sollen Sicherheitsschleusen aufgebaut werden.

Zweifellos hat die Deutsche Oper überregionale Aufmerksamkeit bekommen wie nie zuvor. Journalisten aus aller Welt haben sich angekündigt, Vertreter iranischer und saudi-arabischer Nachrichtenagenturen werden im Publikum sitzen. Doch trotz des großen Medienrummels ist die Aufführung bisher nicht ausverkauft. „Das ist halt eine eher unbekannte Mozart-Oper“, erklärt Busche.

Bereits 2003 feierte das Stück Premiere und wurde ohne große Resonanz aufgeführt. Doch im September dieses Jahres ergriff Intendantin Kirsten Harms die Angst, dass die Oper Ziel islamistischer Attentate werden könnte. Denn in der Inszenierung von Hans Neuenfels werden die abgeschlagenen Köpfe von Jesus, Buddha und Mohammed auf die Bühne gebracht. Harms nahm die Aufführung vom Spielplan und sorgte damit weltweit für Schlagzeilen. Denn eine konkrete Bedrohung gab es nicht.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die Absetzung mit den Worten kommentiert: „Das ist verrückt.“ Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete den Schritt als „unnötige Schere im Kopf“. Der Präzedenzfall, dass der Westen vor religiösen Bedrohung kuschte, war geboren.

Aber des Trubels nicht genug: Vor einigen Tagen waren plötzlich auch noch die abgeschlagenen Köpfe, die immerhin der Stein des Anstoßes waren, verschwunden. Die Köpfe mussten neu erstellt werden. Die Köpfe sind also wieder rechtzeitig da, und Bombendrohungen gibt es bisher keine, lediglich Mails von beleidigten Gläubigen. Doch nicht Muslime sind dabei federführend, die meisten stammen von einem christlichen Verein. „Aber wir sind alle sehr entspannt“, versichert Opernsprecher Busche. CIGDEM AKYOL

KULTUR SEITE 15