Die falsche Frage, der richtige Befund

Sind die Deutschen feindseliger gegenüber Muslimen geworden? Warum Wilhelm Heitmeyer mit seiner Studie in die Kritik geraten ist

Hat die Islamfeindlichkeit in Deutschland zugenommen? Diese Frage ist ideologisch schwer aufgeladen. Der Bielefelder Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer meint: eindeutig ja. Jährlich wertet Heitmeyers Team Umfragen über Ressentiments gegen Migranten, Frauen, Schwule, Muslime und Obdachlose aus. Sein Befund war am letzten Freitag in der taz nachzulesen. Heitmeyer gründet sein Urteil unter anderem darauf, dass 2006 viel weniger Menschen glauben, dass „der Islam eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht hat“, als dies früher der Fall war.

Prompt hat sich ein Kritiker in der FAZ auf diesen Satz gestürzt, um den ganzen Befund schlicht für Unfug zu erklären. In der Tat ist die Frage nach der Bewunderung für den Islam doppelbödig: Werden damit nicht alle Agnostiker zu Islamfeinden abgestempelt? Gibt es denn im Islam nicht – wie in jeder Religion, die mit politischer Macht verschwistert ist – genug Barbarisches, um das Wort Bewunderung lieber nicht in den Mund zu nehmen?

Das Urteil des FAZ-Kritikers war klar: Auf so eine Frage kann nur ein unverbesserlicher Gutmensch kommen, der partout beweisen will, dass die Deutschen immer noch böse Ausländerfeinde sind.

Ist die Behauptung steigender Islamfeindlichkeit also eine pure Erfindung? Nun – es wäre eine blendende Nachricht, wenn es so wäre. Dann wären die Deutschen so liberal und weltoffen, wie sie sich selbst gerne sehen. Sie betrachteten den Islam ohne jedes Ressentiment und ließen sich vom allgegenwärtigen Gerede vom Kampf der Kulturen nicht anstecken. Das wäre wirklich eine gute Nachricht für alle – außer für Heitmeyer, der als Gesinnungstäter überführt wäre.

Doch so ist es leider nicht. Laut Heitmeyers Umfrage sind 28,5 Prozent der Ansicht, dass Muslimen verboten werden sollte, nach Deutschland einzuwandern. Vor vier Jahren waren es nur 24 Prozent. Das Bild der Deutschen vom Islam wird seit Jahren immer negativer, von weit mehr als 80 Prozent wird er mit Frauenverachtung und Fanatismus gleichgesetzt. Und immer mehr Deutsche finden, dass Moscheen im Zweifelsfall nicht gebaut werden dürfen.

„In Bezug auf den Islam werden die Fronten härter.“ Dieser Satz und diese Zahlen stammen nicht von Heitmeyer, sondern vom konservativen Allensbacher Institut für Demoskopie, das im Mai 2006 in einer Studie wachsende Islamfeindschaft diagnostizierte. Auftraggeber der Studie war übrigens – die FAZ.

Wer den Islam nicht bewundert, muss kein Islamfeind sein. Das ist richtig, und diese Frage in Heitmeyers Studie überflüssig. Doch im Affekt gegen seinen Befund zeigt sich ein altes Muster der Gegenaufklärung: Man beschuldigt den Überbringer der schlechten Botschaft – um sich weiter die Ohren zuhalten zu können. STEFAN REINECKE