Hartz IV schafft sieben neue Jobs

In diesem Jahr hat sich die Zahl der Klagen gegen Hartz IV gegenüber 2005 fast verdoppelt. Das Sozialgericht bekommt deshalb sieben neue Richter. Doch die können die Klagewut nicht mindern

von UWE RADA

Da sag noch einer, die Arbeitsmarktreform Hartz IV schaffe keine neuen Jobs. Weil immer mehr Betroffene gegen die Hartz-IV-Bescheide der Jobcenter Klage einreichen, bekommt das Sozialgericht Berlin nächstes Jahr sieben neue Stellen. Dies teilte gestern Michael Kanert, Pressesprecher und einer der Richter des Sozialgerichts, mit.

Mit den neuen Stellen wird Deutschlands größtes Sozialgericht 80 Richter beschäftigen. Mehr als die Hälfte von ihnen, nämlich 50, muss sich ausschließlich um Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide kümmern. Kanert wörtlich: „Die Zeitbombe tickt, die Einsprüche gegen Hartz IV steigen und steigen.“

Tatsächlich hat die Zahl der Klagen deutlich zugenommen. Alleine in diesem Jahr gingen nach einer vorläufigen Bilanz des Sozialgerichts 12.000 Klagen gegen die Arbeitsmarktreform ein. 2005 waren es nur 7.000 Fälle. Weil die Klagen oft eilig seien, müssten häufig Verfahren zur Pflege- oder Rentenversicherung sowie zur Gesundheitsreform zurückgestellt werden, sagte Kanert. Insgesamt bearbeitete das Sozialgericht in diesem Jahr 26.000 Klagen.

Die wachsende Klagewut hat Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) nicht überrascht. „Die Akzeptanz von Hartz IV ist nicht sehr groß“, sagt ihre Sprecherin Roswita Steinbrenner. „Entsprechend groß ist auch die Bereitschaft, mit Rechtsmitteln dagegen vorzugehen.“ Man kann es auch anders sagen: Nach den Montagsdemonstrationen der Vergangenheit erreichen die Demonstrationen nun die Berliner Richter – Hartz-IV-Klage als Massenprotest.

Und der hat nicht selten Erfolg. Fast die Hälfte der Fälle endet zugunsten der Kläger. Ein Grund dafür ist für Sozialrichter Kanert die Überlastung vieler Mitarbeiter der Jobcenter, die zu falschen Bescheiden führe. Doch das ist nicht alles: „Wir bekommen auch sehr viele Eilanträge, in denen die Untätigkeit von Behörden gerügt wird. Wer dringend Geld für den Lebensunterhalt braucht, kann nicht monatelang auf einen Bescheid warten.“

Das aber wollen zumindest die Arbeitsagenturen nicht auf sich sitzen lassen. „Verspätete Bescheide machen nur einen geringen Teil der Beschwerden aus“, sagt deren Sprecher Olaf Möller.

Damit die sieben neuen Richter bei Dienstantritt nicht gleich in der Hartz-IV-Klagewut ersaufen, wollen die Mitarbeiter des Sozialgerichts auch 2007 das Gespräch mit den Jobcentern suchen. Damit soll auf Schwachstellen bei den Bescheiden aufmerksam gemacht werden.

Woran übrigens noch niemand dreht, ist die Gebührenschraube. Anders als bei normalen Gerichten ist der Gang zum Sozialgericht kostenfrei.