Verloren in der Übersetzung

Mit „Last Life in the Universe“ ist dem Thailänder Pen-Ek Ratanaruang ein deeper Film über Müdigkeit, die hohle Sprache der Liebe und das Schöne an der Leere gelungen

Der introvertierte Bibliothekar Kenji (Tadanobu Asano) ist unfähig, mit der ihn umgebenden Welt zu kommunizieren. Sobald er sich überfordert fühlt – was ziemlich schnell der Fall ist –, versucht er, sich der Situation mit seinem ewigen Mantra „Es tut mir leid“ zu entziehen.

Möglicherweise entschuldigt sich der Protagonist von Pen-Ek Ratanaruangs schon drei Jahre altem und doch erst jetzt im fsk angekommenem Film „Last Life in the Universe“ so – für die Qual, die die eigene Existenz ihm und seiner Umwelt bereitet. Der junge Mann ist hochgradig lebensmüde. Warum, das weiß er nicht, sagt er gleich zu Beginn des Films, in dessen Verlauf er mehrmals versuchen wird, sich umzubringen. Es glückt ihm nie.

Als er sich von einer Brücke stürzen möchte, führt ihn das Schicksal mit Noi (Sinitta Boonyasak) zusammen, einer jungen Frau, deren Leben sich sehr von Kenjis unterscheidet. Noi ist abenteuerlustig und chaotisch. Während Kenji in seiner Wohnung alles penibelst geordnet hat – selbst die Schuhe sind nach Wochentagen sortiert –, türmen sich in Nois Haus die Geschirrberge. Wie in Sofia Coppolas „Lost in Translation“ entwickelt sich im Folgenden eine Liebesgeschichte, ohne dass die beiden einander auch nur ein einziges Mal küssen. Stattdessen sieht man sie Nudelsuppe schlürfend am Tisch sitzen oder ineinander verschränkt stumm vor dem Fernseher liegen. Man ahnt, dass dieses merkwürdige Glück nicht von Dauer sein wird.

In Ratanaruangs Film ist Sprache beinahe vollständig von ihrer Mitteilungsfunktion befreit. Zwar lernt der Japaner Kenji Thai und die Thailänderin Noi Japanisch, dennoch können sich die beiden nur in gebrochenem Englisch unterhalten, was oft zu den absurdesten Missverständnissen führt. Immer wieder gräbt sich ein irritierender Riss zwischen wörtlicher Bedeutung und tatsächlich Gemeintem. Als Kenji zu Noi sagt: „Du bist sehr hübsch“, hört sich das so an, als würde er eine Redewendung aufsagen, die er im Sprachunterricht aufgeschnappt hat.

„Last Life in the Universe“ ist ein außergewöhnlicher Film, in dem der vordergründige Realismus der Darstellung immer wieder durch traumähnliche Sequenzen aufgebrochen wird und in dem es aufgrund einer subtilen Metaphorik immer wieder Neues zu entdecken gibt. Vor allem Wasser in all seinen Facetten – von klarem Blau bis hin zu dreckig-bräunlichem Grün – ist so etwas wie ein Spiegel für Kenjis Seelenzustand: Es steht einerseits für Reinheit und Erlösung, andererseits für Verderbnis und Tod. Nicht die Handlung macht die besondere Qualität dieses Films aus, es sind vielmehr diese Momente, in denen eigentlich so gar nichts passiert – diese Augenblicke reiner, kristalliner Leere, die Kameramann Christopher Doyle in wunderschönen Einstellungen festgehalten hat. ANDREAS RESCH

„Last Life in the Universe“. Regie: Pen-Ek Ratanaruang. Mit Tadanobu Asano, Sinitta Boonyasak, Laila Boonyasak. Thailand/Japan 2003, 112 Min., OmU, Kino fsk am Oranienplatz