Angst vor den Kranken

Die privaten Krankenversicherer fürchten einen Run auf den geplanten Basistarif. Die Union will die Regelung, der sie einst zustimmte, nun kippen

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Nun ist auch die Union beim Lesen auf Seite 260 angekommen. Im doppelt so dicken Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform steht dort nämlich, dass die privaten Krankenversicherungen künftig einen günstigen Basistarif anbieten müssen. Der soll etwa die Leistungen der gesetzlichen Kassen umfassen und vor allem jenen offenstehen, die wegen Zahlungsschwierigkeiten ihre Privatkasse verlassen mussten und kein Recht auf eine gesetzliche Versicherung haben. Aber auch jene, die bereits in einer privaten Kasse sind, sowie gesetzlich Versicherte, die über 4.000 Euro monatlich verdienen, dürfen sich zum neuen Tarif privat versichern.

Im Oktober hatte die Union dem Gesetzentwurf in dieser Form noch zugestimmt, nun verlangt sie Änderungen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) maulte gestern, dass das Gesundheitsministerium Vorschriften zur Privatversicherung in das Gesetz geschrieben habe, die so nicht verabredet waren. Am Dienstag hatte die Unionsfraktion im Alleingang festgelegt, dass die Reform zwei Wochen später als geplant im Bundestag verabschiedet wird. Ministerin Schmidt sei „offen für Änderungen“, sagte eine Sprecherin. Bedingung sei aber, dass die vereinbarten Ziele nicht infrage gestellt würden.

Der Verband der privaten Krankenversicherungen, dessen Interessen die Union nun forciert, fürchtet infolge des Basistarifs geschäftliche Einbrüche. Die Krux beim Basistarif ist nämlich, dass die Unternehmen jeden Bewerber ohne Risikozuschlag nehmen müssen. Das aber wäre ein Systembruch, denn die PKV funktioniert wie eine Autoversicherung: je kaputter, desto teurer. Deshalb lohnt sich eine Privatpolice gerade für junge und gesunde Menschen.

Hinzu kommt, dass der Basistarif mit einer Prämienobergrenze von 500 Euro vor allem für Kranke attraktiv ist, die wegen ihrer Leiden deutlich mehr zahlen müssten. Die PKV fürchtet nun, dass sich die eigenen Mitglieder für den günstigen Basistarif entscheiden könnten. Die restlichen Privatversicherten müssten deren Krankheitskosten dann mittragen. Es müsse verhindert werden, dass sich Leute nur bei Bedarf privat versicherten, etwa wenn eine größere Operation anstünde: „Das würde zum Vorteils-Hopping führen, das keine Versicherung verkraften kann“, so ein PKV-Sprecher.

Der PKV-Experte Ulrich Meyer von der Uni Bamberg rechnet damit, dass die Prämien der Privatversicherten um etwa 10 Prozent steigen könnten. „Da bricht die Welt der PKV nicht zusammen“, meint Meyer und plädiert für die Einbeziehung auch der schlechten Risiken in die privaten Kassen: „Es ist gesamtgesellschaftlich extrem ungerecht, wenn die tendenziell besser Verdienenden systematisch bevorteilt werden.“

Etwa zehn Prozent der Deutschen sind privat versichert. 50.000 Menschen, die bisher keine Versicherung haben, könnten hinzukommen.

Krank? Na und! Das Gesundheitsministerium diskutiert mit taz-Lesern über die Gesundheitsreform: Dienstag, 9. 1. 2007, 19.30 Uhr, Rosenthalerstraße 40/41, Berlin-Mitte