ATOMRENAISSANCE FINDET NUR IN DER FANTASIE VON PR-MANAGERN STATT
: AKW-Abschaltung – und keiner kriegt’s mit

Stellen wir uns einmal vor, zum Jahreswechsel wären weltweit fünf neue Atomkraftwerke ans Netz gegangen: Die Atomlobby rund um den Globus hätte voller Inbrunst die Renaissance der Nuklearenergie ausgerufen. Und sie hätte es durchaus zu Recht getan. Doch dem ist zum Glück nicht so. Stattdessen ist genau das Gegenteil passiert: Am Silvestertag sind gleich fünf Reaktoren endgültig abgeschaltet worden. Weltweit sind damit statt 442 Atommeiler nur noch 437 am Netz.

Man darf das Ereignis ruhig als ein deutliches Zeichen für das langsame Ende einer veralteten, unverantwortbaren Technologie werten. Doch die Botschaft kommt bei den Menschen in Deutschland nicht an. Vielmehr hat sich bei vielen der Eindruck verfestigt, es gebe weltweit im großen Stil eine Rückkehr zur Energie aus der Kernspaltung. Diese Wahrnehmung hat nur einen Grund: Die Atomlobby hat gute Öffentlichkeitsarbeit geleistet; die angebliche Renaissance des Nuklearstroms ist eine bewusst aufgebaute PR-Kulisse. Schließlich wissen die Atomstromer nur zu gut, dass ihre Technik Akzeptanzprobleme hat. Also vermitteln sie den Leuten in Deutschland den Eindruck, sie seien inzwischen die einzigen Gegner der Atomkraft – während alle anderen eifrig neue Meiler bauen.

Allzu oft erliegen auch die Medien dieser Propaganda. Man muss nur vergleichen, mit welcher Aufmerksamkeit die fünf abgeschalteten Kraftwerke in der Öffentlichkeit bedacht werden – mit fast gar keiner – und welche Aufmerksamkeit der Neubau eines einzigen Reaktors in Finnland erfährt. Jede Zeitung hat darüber schon ausgiebig berichtet. Das Fazit liegt auf der Hand: Die Renaissance der Atomkraft findet lediglich in den Medien statt.

Faktisch wird die Entwicklung weg vom Atomstrom zumindest bis 2020 weitergehen: Bis dahin werden weltweit auf jeden Fall mehr Atomkraftwerke vom Netz gehen als neue in Betrieb. Vergessen wir also die Pseudo-Renaissance und akzeptieren wir endlich, dass Deutschland mit seinem Atomausstieg durchaus im globalen Trend liegt.

BERNWARD JANZING