Zeitarbeit poliert Statistik auf

Die Zahl der festen Jobs wächst wieder. Doch von dem kleinen Boom profitieren insbesondere Zeitarbeitsfirmen. Für den Senat ist das ein Zeichen dafür, dass die Firmen am Aufschwung zweifeln

VON MATTHIAS LOHRE

Es gibt wieder mehr feste Jobs in Berlin – doch drei Viertel der neuen Arbeitsverhältnisse entstanden bei Zeitarbeitsfirmen. Ende September 2006 hatten 16.500 Berliner mehr eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als ein Jahr zuvor. Das entspricht einer Zunahme von 1,6 Prozent. 12.200 davon steuerten die so genannten Arbeitnehmerüberlassungen bei.

Zufrieden präsentierte Berlin-Brandenburgs Agentur für Arbeit gestern die positiven Zahlen, die zudem für Dezember 2006 einen Rückgang der Arbeitslosenquote auf 16,0 Prozent ausweisen. Das ist 0,1 Prozentpunkt weniger als im Monat zuvor – entgegen dem Bundestrend.

Den Aufwind für die Zeitarbeitsfirmen beäugen Beobachter skeptisch. Die einen sehen den Aufschwung in Berlin angekommen, andere zweifeln. „Unser Wachstum wird 2007 auch in Berlin bei mehr als 15 Prozent liegen“, prophezeit die Sprecherin der Zeitarbeitsfirma Randstad, Petra Timm. Der Branchenführer bietet an seinen sechs Berliner Standorten derzeit rund 250 offene Stellen. „Wir suchen händeringend nach IT-Spezialisten“, so Timm.

Zufrieden zeigt sich auch der Randstad-Konkurrent Adecco. „Wir haben 2006 rund 1.000 neue Jobs in Berlin geschaffen, auch bei Ingenieuren und im Callcenterbereich“, sagt Adecco-Regionalleiterin Birgit Kallwitz. „Das waren 35 Prozent Wachstum im Vergleich zum Vorjahr, und 2007 wird es ähnlich.“

Weniger euphorisch gibt sich die Sprecherin der Sozial- und Arbeitsverwaltung, Roswitha Steinbrenner. Zwar begrüßt sie das Plus bei den sozialversicherungspflichtigen Jobs. Aber: „Der große Anteil von Beschäftigungen über Zeitarbeitsfirmen zeigt auch: Viele Unternehmen trauen dem positiven Wirtschaftstrend noch nicht ganz.“ Zeitarbeiter werden Arbeitgeber einfacher los als Festangestellte.

Die FDP will die Arbeitsvermittlung am liebsten der Arbeitsagentur entziehen und dadurch die Zeitarbeitsfirmen stärken. Die Arbeitsuchenden sollen sich direkt an private Jobvermittler wenden dürfen, fordert der FDP-Arbeitsmarktpolitiker Rainer-Michael Lehmann.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) traut dem Aufschwung nicht. Berlin-Brandenburgs DGB-Chef Dieter Scholz kritisierte die „halben Wahrheiten“ der Arbeitsagentur. Wie viele Finanzmittel zur Eingliederung von Arbeitslosen nicht ausgeschöpft wurden, verschwiegen die Statistiken. Zur Wahrheit der neu geschaffenen Jobs gehöre, dass vorwiegend prekäre Beschäftigung entstehe, also Mini- oder 1-Euro-Jobs.

Seinen Teil zu mehr Jobs beitragen will der Senat durch einen neuen dritten Arbeitsmarkt. Auf Initiative der Linkspartei will Rot-Rot staatliche Transferzahlungen bündeln und aufstocken und so sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen. Mehr als 2.000 sollen es in einem ersten Probelauf werden. Arbeitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) setzt zudem auf das Beschäftigungsprogramm des Bundes, das deutschlandweit 100.000 Langzeitarbeitslosen mit „schweren Vermittlungshemmnissen“ öffentlich geförderte Jobs bringen soll. „In Berlin könnten damit schnell reguläre, längerfristige Arbeitsverhältnisse im gemeinwohlorientierten Bereich entstehen“, hofft sie.

Neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden zwischen September 2005 und 2006 auch im Erziehungsbereich. Hier vermeldet die Arbeitsagentur ein Plus von 4.313 Stellen. Am anderen Ende der Skala rangiert die öffentliche Verwaltung. Seit Jahren bauen Senat und Bezirke hier Arbeitsplätze ab. Allein 2006 waren es mehr als 3.100.

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