Senat hat ein Herz für Vattenfall

Grüne wollen Stromkonzern die Macht über sein Leitungsnetz wegnehmen. Ähnliche Ideen werden in der EU heftig diskutiert. Senat lehnt den Plan ab. SPD kann sich Bundesratsinitiative vorstellen

VON ULRICH SCHULTE

Die Grünen wollen den Stromversorger Vattenfall dazu zwingen, die Kontrolle über seine Leitungsnetze abzugeben. Das Land müsse den Konzessionsvertrag, den es mit dem marktbeherrschenden Energieversorger abgeschlossen hat, vorzeitig kündigen, sagte Michael Schäfer, der energiepolitische Sprecher der Fraktion, gestern der taz. „Nur wenn Stromnetz und Kraftwerke in getrennten Händen sind, kann wirklicher Wettbewerb auf dem Strommarkt entstehen.“

Ähnliche Ideen werden gerade auf höchster Ebene heftig diskutiert: José Manuel Barroso, der Präsident der Europäischen Kommission, will heute einen Aktionsplan vorstellen, mit dem er den großen Energiekonzernen die Macht über die Netze entreißen will – was einer Revolution auf dem Markt gleichkommt. Der Grünen-Vorschlag könnte dem Multi auf Landesebene Dampf machen: Mit den Konzessionsverträgen vermietet das Land den Energiekonzernen – also Vattenfall und Gasag – seinen öffentlichen Grund, damit diese darin ihre Leitungen verlegen und warten können.

Die Grünen-Fraktion möchte diese Zuständigkeit ab 2009 per Ausschreibung neu vergeben. „Derzeit nutzen die Stromnetzbetreiber ihr Netz dazu, um Konkurrenten das Leben schwer zu machen“, sagte Schäfer. Der Konzessionsvertrag zwischen Land und Vattenfall, der der taz vorliegt, läuft bis Ende 2009. Er verlängert sich automatisch um fünf Jahre, wenn er nicht zwei Jahre vor Ablauf gekündigt wird – der Senat müsste also bis Ende des Jahres aussteigen.

Die Finanzverwaltung lehnte diese Idee gestern strikt ab. „Die Netzbetreuung durch Vattenfall läuft gut. Es gibt daher keinen Bedarf für eine vorzeitige Kündigung“, sagte Sprecher Clemens Teschendorf. Zumal sich an den Einnahmen für den Haushalt wenig ändern würde. Was das Land an Miete für Straßen und Grundstücke nehmen darf, ist in einer Verordnung bundesweit geregelt. Vattenfall zahlt jährlich 143 Millionen Euro, die Gasag knapp über 7 Millionen.

Nach Ansicht der Behörde blieben die Strompreise unbeeinflusst. „Eine Vergabe an Dritte hätte keinerlei Auswirkungen für die Kunden“, argumentiert Teschendorf mit Blick auf das neue Energiewirtschaftsgesetz. Die Energiekonzerne mussten in den vergangenen beiden Jahren für den Betrieb ihrer Leitungsnetze Tochtergesellschaften gründen. So soll ausgeschlossen werden, dass Konkurrenten, die ebenfalls auf die Netze angewiesen sind, diskriminiert werden. Die Bundesnetzagentur segnet zusätzlich die Gebühren ab.

Die Grünen vermuten hinter den Senatsargumenten eher die Angst, den Lokalriesen auf die Füße zu treten. „In der Praxis klagen kleine Stromanbieter immer wieder darüber, dass die Großen ihnen den Zugang verwehren“, so Schäfer. Die Oppositionspartei will jetzt über das Parlament Druck machen. Ein Antrag sei in Arbeit, er werde in die Plenarsitzung am 1. Februar eingebracht, kündigte Schäfer an.

Der Umbau des lokalen Energiemarktes ist nur mit Zustimmung der Regierungskoalition machbar – und die ist unwahrscheinlich. Der Energiefachmann der SPD-Fraktion, Daniel Buchholz, sieht den Plan kritisch. „Die Idee klingt nett, ist aber fachlich zu kurz gesprungen.“ Vattenfall und Gasag garantierten schließlich Arbeitsplätze in Berlin. „Wer Netz und Betrieb trennen will, muss außerdem auf der Bundesebene ansetzen – ein Berliner Alleingang macht wenig Sinn“, so Buchholz. Eine Bundesratsinitiative Berlins, um die Marktmacht der vier großen Stromversorger in Deutschland – RWE, Eon, EnBW und Vattenfall Europe – zu brechen, könne er sich dagegen gut vorstellen, so der SPD-Experte.