scientology
: Es geht auch ohne Verfassungsschutz

Seitdem bekannt wurde, dass der Scientology-Konzern in Charlottenburg seine Hauptstadt-Repräsentanz eröffnet, ist die Aufregung groß. Eltern sorgen sich um ihre Kinder, die Oppositionsparteien um die Handlungsfähigkeit des Senats. Die meistgenannte Forderung dieser Tage lautet: Innensenator Körting soll alles tun, um die Beobachtung von Scientology durch das Landesamt für Verfassungsschutz wieder zu ermöglichen.

Kommentar von UWE RADA

Tatsache ist, dass diese Beobachtung 2003 vom Verwaltungsgericht gestoppt wurde. Tatsache ist auch, dass das Land vom Einzug der Scientologen in ein Gebäude an der Otto-Suhr-Allee Ecke Cauerstraße erst aus den Medien erfahren hat. Doch rechtfertigt das eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes und damit eine Lex Scientology?

Ein Blick zurück auf die vergangenen Aktivitäten der Psychosekte in Berlin zeigt: Es geht auch ohne Verfassungsschutz. Vor allem der Kauf von unsanierten Altbauten in Neukölln und deren Umwandlung in Eigentumswohnungen hat vor zehn Jahren zu einer berlinweiten Öffentlichkeit geführt, die dem Sektenkonzern zu schaffen machte. Damals haben sich Hausgemeinschaften zusammengeschlossen, Netzwerke gebildet, da wurde Öffentlichkeit geschaffen und auch ein Klima, das man gut und gerne mit dem Slogan „Scientology? Nein, danke!“ beschreiben könnte. Das Ergebnis: Die Scientologen haben sich aus dem scheinbar lukrativen Umwandlungsgeschäft peu à peu zurückgezogen.

Natürlich ist das Klima heute – auch obskuren Sekten gegenüber – liberaler. Trifft es aber zu, wovor Kritiker warnen, dass die Fußtruppen von Scientology aggressive Straßenwerbung betreiben, könnte sich das schnell ändern – ob mit oder ohne Verfassungsschutz.

Ein paar Minitravoltas wie zur WM am Hauptbahnhof dagegen kann Berlin verkraften. Denn das gehört auch zur Offenheit einer Großstadt: Seelenkäufer zu lassen, wo sie stehen – im Regen.