überflüssige ehrung
: Biermann ist out

contra

Gemessen an dem, was eine Ehrenbürgerschaft bedeutet, müsste man eigentlich kein Aufhebens von jener Wolf Biermanns machen. Es gibt ein bisschen Lametta, man darf umsonst die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, und irgendwann einmal gießen Angestellte des Landes das Grab. In bester Gesellschaft befindet man sich in Berlin als Ehrenbürger auch nicht angesichts so vordemokratischer Rabauken wie Paul von Hindenburg, der wie viele Gleiche auf der fragwürdigen Liste steht. Und was die Berliner Gegenwart angeht: Hier wird so viel Unsinn getrieben, dass zu befürchten ist, dass eines Tages gar Klaus Landowsky als Ehrenbürger auf den Schild gehoben wird. All dies sollte einem Wolf Biermann genügen, sich das Postament nicht anzutun, auf das ihn die CDU hieven will. Außerdem spricht gegen die Ehrenbürgerschaft: Hat Biermann nicht einmal all die Großkopferten samt ihren Denkmälern verhöhnt, auf Lametta und Anbiederung gepfiffen?

Hat er! Wahrhaftig war Biermann nicht bloß als SED-Oppositioneller der DDR-Staatsfeind und zänkische Ostberliner Liedermacher. Der Mythos Biermann beruht auf viel mehr, nämlich auf seiner Haltung als Rebell, als Nachkomme der Villons, Rimbauds und antibürgerlichen Lästerer, denen die politische Symbolik insgesamt verdächtig war, ja als verkommen galt. Verkehrte eine Ehrung dieses Image nicht in ihr Gegenteil?

Und noch aus einem anderen Grund passt eine Ehrenbürgerschaft Biermanns nicht. Seine „Heldentaten“ liegen nicht nur 30 Jahre und mehr zurück. Heute hat sich der Liedermacher und Lyriker davon meilenweit entfernt, seine Selbststilisierung als moralische Anstalt hat eine brüchige Legende aus ihm und seiner Geschichte werden lassen. Sich als Pathosformel für den Ostprotest und Initialzündung für den Untergang der DDR auszugeben war schon ein wenig größenwahnsinnig. Biermanns Plädoyers für den Kosovo- und Irakkrieg oder sein eitler Bruch mit dem Verlag, der es wagte, einen Kritiker zu drucken, beweisen den Wandel von der Figur des Widerstands in eine konservative samt merkwürdiger Überheblichkeit. Dafür reicht das Bundesverdienstkreuz. Das hat Biermann bereits.

ROLF LAUTENSCHLÄGER