Körting wird Ober-Innenminister

Innensenator Körting übernimmt für ein Jahr den Vorsitz der Innenministerkonferenz. Flüchtlingsinitiativen protestieren gegen die mangelhafte Bleiberechtsregelung

Wieder ein Protest gegen Ehrhart Körting: Vor der Senatsverwaltung für Inneres in der Klosterstraße halten der Flüchtlingsrat und die Initiative „Jugendliche ohne Grenzen“ am Mittwochmorgen eine Mahnwache ab. „Mit dieser Aktion wollen wir auf die weiter bestehende Notwendigkeit einer gesetzlichen Bleiberechtsregelung aufmerksam machen“, sagt Flüchtlingsrats-Sprecher Jens-Uwe Thomas. Es sei aber kein Protest explizit gegen den SPD-Innensenator, so Thomas, sondern vielmehr gegen den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz (IMK). Und das ist seit gestern eben Körting, der turnusgemäß seinen bayerischen Kollegen abgelöst hat.

Damit geht der Posten von einem der unnachgiebigsten Law-and-Order-Politiker Deutschlands – Bayerns Innenminister Günter Beckstein (CSU) – an einen deutlich gemäßigteren Minister über. Mehr noch: Im Vergleich zu Beckstein ist Körting geradezu ein frommes Lamm. Berlins Innensenator wird der IMK für ein ganzes Jahr vorstehen. Die Mitglieder der Konferenz – alle Innenminister der 16 Bundesländer – debattierten insbesondere Fragen der inneren Sicherheit.

Seit der jüngsten Innenministerkonferenz Mitte November gilt für dauerhaft geduldete Flüchtlinge ein Bleiberecht – eigentlich. Körting persönlich hatte sich für diese Regelung eingesetzt. Aber nicht einmal in Berlin sei bis zum jetzigen Zeitpunkt ein Flüchtling in den Genuss dieser neuen Regelung gekommen, sagte Thomas. „Das ist sehr bedauerlich.“

Zudem werden nun laut Flüchtlingsrat auch die Defizite dieser Vereinbarung immer deutlicher. So räumen die Innenminister geduldeten Ausländern nur dann ein Bleiberecht ein, wenn sie einen Arbeitsplatz vorweisen können – angesichts der insgesamt hohen Arbeitslosigkeit für Flüchtlinge ein besonders schweres Unterfangen. Haben sie keinen Job, gibt es eine Übergangsfrist bis zum 30. September. „Schon jetzt wird deutlich, dass viele Arbeitgeber den bloß befristeten Duldungsstatus zu unsicher finden und deshalb niemanden einstellen“, bericht der Flüchtlingsrat-Sprecher. Alte, Kranke und sonstige Erwerbsunfähige werden von der neuen Bleiberechtsregelung überhaupt nicht berücksichtigt.

Wie wenig die vereinbarte Regelung voraussichtlich bewirken wird, belegen auch die Zahlen. In Berlin haben bisher gerade mal 800 von potenziell 2.200 Betroffenen Anträge auf eine Aufenthaltsgenehmigung gestellt, teilte Körting mit. Er bestätigte damit, dass das neue Bleiberecht nur einem kleinen Teil nutzt. Denn unter dem unsicheren Duldungsstatus leben in Berlin mehr als 8.800 Flüchtlinge. Rund die Hälfte der geduldeten Ausländer profitieren laut Körting nicht von der Regelung, da sie noch nicht sechs Jahre in Deutschland leben. Ein weiteres Viertel sei ebenfalls nicht betroffen, weil sie Voraussetzungen wie keine Vorbestrafung oder Sprachkenntnisse nicht erfüllen.

Der Flüchtlingsrat setzt jetzt auf die Bundesregierung. Denn in der Koalition hat es bereits Stimmen gegeben, den Betroffenen einen Aufenthaltsstatus für zwei Jahre auf Probe zu erteilen. „Diese Regelung würden dann auch Arbeitgeber besser kapieren als diesen komplizierten Duldungsstatus“, so Jens-Uwe Thomas. FELIX LEE