Die Rückkehr der Spekulanten

Immer mehr Wohnhäuser werden in Berlin in immer kürzeren Abständen verkauft. Der Mieterverein fürchtet deshalb gar eine Immobilienblase, die bald platzen könnte

von UWE RADA

Es ist wie immer nur eine Meldung: Der Immobilienkonzern Gagfah hat auf dem Berliner Markt weitere 5.900 Wohnungen gekauft, hieß es am Mittwoch. Kostenpunkt: schlappe 370 Millionen Euro.

Die Summe der Meldungen aber gibt zu denken. Allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wechselten Grundstücke für 6,3 Milliarden Euro ihren Besitzer, ein Zuwachs von 114 Prozent. Die meisten Wohnungen gehen dabei an Großaufkäufer wie die Gagfah, die Deutsche Annington oder Cerberus, hinter denen allesamt US-Investoren stecken. Auch wenn der rot-rote Senat die Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaften ausgeschlossen hat – Berlin erlebt eine Rückkehr der Spekulanten.

Einen der Gründe dafür nannte kürzlich Jens Nagel, Sohn des ehemaligen Bausenators Wolfgang Nagel (SPD). 850 Euro pro Quadratmeter zahle er durchschnittlich für den Kauf einer Wohnung in Berlin. In Stockholm müsse er 1.250 Euro auf den Tisch blättern. Nagel weiß, wovon er redet. Er ist Chef der Akelius GmbH, einer Tochter des größten privaten Wohnungsunternehmens in Schweden. Und als solcher ist auch er auf Beutezug in Berlin. Demnächst 5.000 Wohnungen, das ist sein bescheidenes Etappenziel.

Begnügt sich Nagels Firma vorerst mit einer Rendite infolge der steigenden Mieten, heizen die Heuschrecken der Branche den Immobilienmarkt mit immer kürzeren Zyklen von Käufen und Verkäufen an. 4.900 der 5.900 Wohnungen, die die Gagfah soeben gekauft hat, stammen aus dem Portfolio der Apellas Gruppe, an der auch der US-Milliardär und Stifter George Soros beteiligt ist.

Der Trend dabei: Immer mehr Wohnungen werden in immer kleineren Paketen verkauft, wie Germano Tullo vom Consulting-Unternehmen BulwienGesa feststellt. Großeinkäufe wie die des US-Investors Cerberus, der 2004 die GSW mit 65.000 Wohnungen übernommen hat, gehören der Vergangenheit an.

Wenn sich der Markt immer schneller beschleunigt, warnt Hartmann Vetter, Chef des Berliner Mietervereins, wächst aber auch die Gefahr einer Immobilienblase. „Das ist wie mit dem Internethype. Da werden mit einer irrealen Renditeerwartung immer schneller immer größere Summen erzielt, bis am Ende alles platzt.“ Vetter prophezeit deshalb: „Das gibt noch ein böses Erwachen.“ Wenn die ersten Firmen erst pleite gingen, müsste am Ende wieder die öffentliche Hand einspringen.

Diese Sorge vor einer Immobilienblase teilen nicht nur Mieterlobbyisten, sondern auch alteingesessene Makler wie Gottfried Kupsch. Seit 20 Jahren ist der in Berlin aktiv und hat nun festgestellt, dass viele Investoren mit zu hohen Erwartungen in die Hauptstadt kämen: „Starke Mieteinnahmen sind eine Fiktion. Die Preise haben schon ihre obere Grenze erreicht.“

Gleiches gilt auch für den Immobilienmarkt mit Altbauten, vor allem in Prenzlauer Berg und Friedrichshain, sagt Ulf Heitmann von der Mietergenossenschaft Bremer Höhe. „Was derzeit verlangt wird, ist nur noch mit Umwandlung in Eigentumswohnungen zu realisieren.“ Heitmanns Genossenschaft hat selbst vor kurzem um ein Haus am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg mitgeboten. „Das Maximale, was wir kalkulieren konnten, waren 1,3 Millionen Euro.“ Das hätte eine Miete von 7 Euro pro Quadratmeter bedeutet, hat Heitmann errechnet. Über den Tisch ging der Altbau für zwei Millionen. „Das ist nicht mehr normal“, schimpft Heitmann.

Längst sind die Immobilien in Ostquartieren wie Pankow oder Prenzlauer Berg teurer als in Charlottenburg und Wilmersdorf. Gleichwohl ist der Run auf den Immobilienmarkt der Hauptstadt ungebrochen. Nicht nur Jens Nagels Akelia will sich dauerhaft in Berlin tummeln. Auch Cerberus und die Gagfah haben erklärt, zu weiteren Engagements in Berlin bereit zu sein.

Der ungebrochene Run auf Berliner Immobilien hat aber auch sein Gutes. So wurde gestern bekannt, dass die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) weit weniger als die veranschlagten 15.700 Wohnungen verkaufen muss, um die Insolvenz abzuwenden. Nun ist von nur noch 6.000 Wohnungen die Rede.

Aber auch darauf will sich der Senat nicht ausruhen. Im rot-roten Bündnis gibt es inzwischen Überlegungen, die verbliebenen landeseigenen Wohnungsgesellschaften in einer Holding zusammenzufassen. Dies bestätigten die baupolitischen Sprecher von SPD und PDS, Michael Arndt und Jutta Matuschek. Was für die Regierungskoalition aus der Not geboren ist, ist für die FDP der Wiedereinstieg in ein „Wohnkombinat“. FDP-Fraktionssprecher Joe Dreixler fordert daher eine „weitere Entstaatlichung“ im Wohnungsbestand nach dem Vorbild Dresdens. Die sächsische Landeshauptstadt hatte Anfang letzten Jahres ihre 48.000 Wohnungen komplett an den US Investor Fortress verkauft und war damit auf einen Schlag schuldenfrei geworden.

Gerade Fortress aber zeigt, wie berechtigt die Warnung vor einer Blase inzwischen ist. Die Fortress-Tochter Gagfah nämlich will nicht nur weitere Wohnungen in Berlin kaufen. Sie will mit ihrem Wohnungsbestand auch an die Börse.

Entsprechende Gesetzesänderungen werden von der Bundes-CDU seit langem gefordert. Vor allem die Zulassung sogenannter Real Investment Trusts nach US-Vorbild liegt den Christdemokraten am Herzen. Das aber wäre der endgültige Sieg der Spekulanten auf dem Immobilienmarkt. Nicht einmal die wirtschaftlichen Risiken einer Immobilienblase müssten die Heuschrecken dann tragen – das wäre Sache der Aktionäre. Noch aber bleibt die SPD in der großen Koalition hart. Vorerst soll es die „Reit’s“ nur bei Gewerbeimmobilien geben.

Aber auch das regt die Spekulation weiter an. Der mögliche Gang von Gewerbeimmobilien an die Börse, teilte gestern der Chef der LaSalle Investment Management, Claus Thomas, in einer weiteren Meldung mit, würden die Nachfrage nach Gewerbeflächen antreiben.