Mitte wird langsam trockengelegt

Die Razzia in der Køpi war nur das jüngste Beispiel für die Taktik der Behörden in Mitte: Das Wirtschaftsamt geht immer härter gegen illegale Kneipen, Clubs und Restaurants vor – dabei haben die das Nachtleben jahrelang geprägt

Ein Hinterhof in Mitte. An Biertischen sitzen 50 Leute beim Menü. Die Speisen werden aus einer improvisierten Küche gereicht. Es gibt Bier und Wein, aber keine Getränkekarte, auch kein Schild am Eingang. Hier darf nur essen, wer auf dem richtigen SMS- oder E-Mail-Verteiler steht und eine Einladung vorweisen kann.

Auf solche Geheimniskrämerei setzen im Ausgehbezirk Mitte viele illegale Kneipen, Restaurants und Clubs. Die schafft bei den Gästen das Gefühl, zu einer exklusiven Szene zu gehören. Vor allem aber sind die komplizierten Prozedere eine Vorsichtsmaßnahme für die Betreiber. Denn die Behörden des Bezirks gehen zunehmend rigoros gegen die illegale Kneipenszene vor.

Illegal sind dabei alle Lokale, in denen ohne Gaststättenerlaubnis öffentlich Getränke oder Speisen angeboten werden. Dazu zählen improvisierte Kneipen genauso wie Clubs, die unter dem Deckmantel eines Kulturvereins agieren, aber regelmäßig geöffnet sind und Eintritt verlangen. Kurz nach der Wende gab es unzählige solcher Lokale. Jetzt werden es immer weniger.

„In den letzten Jahren fährt das Wirtschaftsamt eine harte Linie gegen Clubs ohne Schankgenehmigung“, sagte der Betreiber einer bekannten Szenekneipe der taz. „Immer mehr Clubs werden dichtgemacht.“ Michael Schmidt vom Verband „clubcommission berlin“, einem Zusammenschluss mehrerer Clubs, bestätigt dies. „Die Bezirksbehörden geben ihre Laissez-faire-Haltung allmählich auf“, sagt er. Als Leiter der Rechtsabteilung berät Schmidt rund zehn illegale oder halblegale Clubs, die Probleme mit den Behörden haben.

Sobald ein Lokal durch eine Anwohnerbeschwerde auffällt, trete das Wirtschaftsamt auf den Plan, so Schmidt. Die Sachbearbeiter ermittelten verdeckt als Gäste und sammelten Beweise. Dann rücke die Bereitschaftspolizei zur Razzia an und räume den Club. Eröffnet der Betreiber erneut, blüht ihm ein Bußgeld und ein Wiedereröffnungsverbot. „Die Sachbearbeiter von der Abteilung für Gewerbedelikte kennen sich verdammt gut aus“, so Schmidt. Sie googlen im Internet, loggen sich in Partyforen ein und ziehen selbst nachts los.

Keine rosigen Zeiten für das illegale Mitte-Nachtleben. Der „Münzclub“, das „Rio“ und andere leben seit Jahren mit Razzien und Schließungsanordnungen. Doch Mittes Wirtschaftsamtsleiter Joachim Zeller (CDU) findet nicht, dass seine Behörden besonders streng sind. Es käme „häufiger dazu, dass solche Einrichtungen geschlossen werden“. Aber das läge vor allem an der gestiegenen Klagefreudigkeit der Anwohner. Größere Polizeieinsätze wie jetzt in der Køpi kämen selten vor, meist schlössen die Betreiber nach einmaliger Aufforderung ihren Club.

Und machen woanders einfach wieder einen neuen auf. Um den findigen Behörden einen Schritt voraus zu bleiben, hilft häufiges Umziehen. Das besagte Hinterhof-Restaurant existierte nur vier Monate lang. Und wurde nie entdeckt. „Wir hatten extremes Glück“, so der ehemalige Betreiber. „Die Polizei war nur einmal da, aber sie konnte nicht mehr entdecken als eine ganz normale Privatparty.“ NINA APIN