Autoindustrie: Verbraucher wollen dicke Limousinen

Die in Deutschland produzierten Pkws übersteigen weit die zulässigen Schadstoffgrenzwerte der EU. Schuld seien die Käufer, die große Motoren verlangen, so die Hersteller

FRANKFURT taz ■ Deutsche Autobauer sind von den EU-Plänen besonders betroffen: Ihre Flotten blasen zwischen 170 und 300 Gramm Kohlendioxid je Kilometer in die Luft und sind damit meilenweit von möglicherweise niedrigeren Grenzwerten für Abgase entfernt. Die Umweltschweine der EU wollen sie aber nicht sein. Sie verweisen auf ihre wenigen Vorzeigeprodukte. Der von der Deutschen Umwelthilfe besonders an den Pranger gestellte deutsch-amerikanische Konzern DaimlerChrysler etwa auf die neue C-Klasse von Mercedes-Benz. Die Abgaswerte lägen bei den Kohlenwasserstoffen um bis zu 86 Prozent und bei den Stickoxiden sogar um bis zu 90 Prozent unter den derzeit gültigen EU-Grenzwerten, gab der Konzern gestern in Stuttgart bekannt. Dafür gab es von der TÜV Süd Management GmbH eine Umweltzertifizierung: „Mercedes-Benz ist die weltweit einzige Automobilmarke, die über das anspruchsvolle Umweltzertifikat verfügt.“

Was aber ist mit den anderen Fahrzeugen im Portfolio? Mit den gigantischen Geländewagen etwa, die gewaltige Mengen an Sprit fressen? Sie sind mit dafür verantwortlich, dass das Ziel der „freiwilligen Selbstverpflichtung“ der europäischen Autobauer, den Kohlendioxidausstoß bis zum Jahre 2008 auf 140 Gramm pro Kilometer zu begrenzen, wohl nicht erreicht wird.

Autobauer mit den großen Fahrzeugen im Programm zeigen mit dem Finger auf die Verbraucher. „Wir produzieren nur, was von der Kundschaft verlangt wird: große Modelle und starke Motoren“, sagt ein Sprecher des Verbandes der europäischen Automobilhersteller (EACE) zu den Plänen der EU. Auch Sven Jansen, Sprecher des Automobilclubs von Deutschland (AvD), gibt den Autokäufern die Hauptschuld. „Würden mehr verbrauchsarme Kleinwagen verlangt, würden diese Fahrzeuge auch in größeren Stückzahlen produziert.“ Kein Konzern der Welt könne es sich heute aber leisten, die real existierende Nachfrage nach den „20 Liter fressenden großen Pkws“ zu ignorieren. Dass Nachfrage auch über Werbung geschaffen werden kann, bestritt Jansen nicht. Das Problem in Deutschland seien aber nicht die „paar hunderttausend Cayenne oder Mercedes S63 AMG“, sondern die Mittelklassefahrzeuge. Für sie müssten noch schadstoffärmere Motoren entwickelt werden. Denn ihnen gehöre „bei diesen Spritpreisen“ ohnehin die Zukunft.

Der gern als Autopapst bezeichnete Gelsenkirchener Wirtschaftsingenieur Ferdinand Dudenhöfer kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass das Einsparpotenzial bei Dieselfahrzeugen „beinahe ausgereizt“ sei. Jetzt gehe es um die „Benziner“. Kleinere Motoren oder Hybridantriebe würden den Schadstoffausstoß auch noch unter strengere Normwerte der EU drücken können. Der Rüsselsheimer Autobauer Opel glaubt schon jetzt, den neuen Anforderungen der EU „relativ problemlos gerecht werden“ zu können – er produziert allerdings auch keine Offroad- oder Luxusautos. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT