Angriff auf die Medienvertreter

Immer gezielter starten Neonazis Aktionen gegen Journalisten, vor allem gegen solche, die kontinuierlich über die Szene berichten. Ein Beispiel ist die Journalistin Andrea Röpke, bei der die Neonazis kürzlich vor der Haustür standen

Diesen Verlauf der Kundgebung hatte der 30-jährige Neonazi nicht erwartet. Am Samstag waren in Bremen etwa 25 Rechte zur Mahnwache gegen die Therapierung von „Kindermördern“ gekommen. Vor dem Osterholzer Friedhof richtet das „Bündnis keine Gewalt“, welches von der NPD und den „Backstreet Skinheads“ getragen wird, die Kundgebung aus. Doch noch während alle Redner gegen die Verwahrung des Ziehvaters des ermordeten Jungen Kevin in der Psychiatrie hetzten, wurde der eine Teilnehmer beiseite genommen. Die Polizei stellte die Personalien des Neonazis fest. Der Anlass: Pressevertreter erkannten in ihm einen der Rechten, die die Journalistin Andrea Röpke ausspioniert hatten.

Um 19:30 klingelte es am Samstag vor einer Woche an der Haustür von Röpke. Seit Jahren berichtet die Journalistin, die in Niedersachsen lebt, für den NDR und die taz über die Neonaziszene. Ihre Nichte öffnete die Tür, vor der jener Neonazi im dunklem Outfit stand. „Wohnt hier Andrea Röpke“ fragte er, und als sie an die Tür trat, verhöhnte er sie und drohte: „Wir kucken uns das hier genau an.“

An der Straße wartete ein Auto mit drei Neonazis. Als der Rechte zum Wagen ging, filmte schon ein weiterer das Haus. Ein anderer fotografierte Familienmitglieder, die die Rechten aufforderten zu gehen. „Ein plumper Einschüchterungsversuch“, sagt Röpke, die am 17. Januar von der unabhängigen Journalistenzeitschrift MediumMagazin als „Reporterin des Jahres 2006“ ausgezeichnete wurde.

Ins Visier der Neonazis geraten vor allem jene Journalisten und Fotografen, die kontinuierlich über die NPD und die Freien Kameradschaften (FK) berichten. So sehr die Neonazis alle Medienrechte wie Sendezeit bei Wahlkämpfen oder Beteiligungen bei Talkshows für sich einfordern, so sehr bemühen sie sich, Presseberichte zu behindern. Bei Kundgebungen schlagen Ordner mitunter auf JournalistInnen ein, halten Schilder vor die Kameras oder versuchen, Pressevertreter gezielt auszuladen.

Die Kontinuität jener Journalisten missfällt, da sie bei NPD und FK personelle Zusammenhänge, aber auch ideologische Ausrichtungen aufzeigen. „Bilder von NPD-Kadern mit verurteilten Neonazischlägern passen nicht zur angestrebten Selbstdarstellung“, sagt der Fotograf André Aden. In Bremen stellten Neonazis ihm nach, nachdem sie ihn erkannt hatten. Beim alltäglichen Einkaufen fotografierten sie ihn auch schon.

Bilder von JournalistInnen, auch aus Hamburg, stellen Neonazis oft ins Internet. Längst gilt das auch für kleine Videoproduktionen: Auf der Internet-Seite Youtube läuft ein Video, unterlegt mit Rechtsrock, das Journalisten zeigt, die einen Aufmarsch in Rotenburg und Bremen dokumentieren. Im Begleittext wird eine Anschrift von dem „Denunziantenweibchen“ Röpke bekannt gemacht.

Im November hatten mehrere Neonazis schon einmal Röpke und Frank Martin angegriffen. Sie nahmen ein Treffen der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ in Blankenfelde auf. Den Fotografen Klaus Meyer aus Schleswig-Holstein griffen Neonazis im Dezember an. Bei einem Aufmarsch in Salzwedel schlugen ihn die Ordner. „Die gingen gezielt vor“, sagt Meyer.

„Früher griff mal spontan ein aufgebrauster Neonazi“ an, sagt Aden, aber heute gingen „die Ordner organisiert vor“. Einschüchtern lassen sich die Journalisten und Fotografen nicht. „Wir wissen trotz allem biederen Anstrich mit wem wir es zu tun haben“, sagt Röpke. Nur dass die Polizei selten einschreite, wenn Neonazis Journalisten ablichteten, wundert Martin. Denn die Veröffentlichung von Aufnahmen im Internet erhöht die Bedrohung. ANDREAS SPEIT