Bush auf dem Bittstuhl

aus Washington ADRIENNE WOLTERSDORF

Mit deutlichen Worten kritisierten die US-Demokraten die Rede von Präsident George W. Bush zur Lage der Nation. „Wir werden ihn für seine Strategie im Irak zur Verantwortung ziehen“, erklärten die demokratischen Oppositionsführer Nancy Pelosi und Harry Reid, nachdem der Präsident seine traditionelle Januarrede in der Nacht zum Mittwoch gehalten hatte. Bush wolle offenbar weiterhin den Willen des Landes ignorieren, sagte Pelosi nach Bushs Plädoyer für eine Politik der militärischen Stärke im Irak.

In seiner sechsten Rede zur Nation setzte Bush mehr auf Kompromiss statt auf Konfrontation. Denn erstmals in seiner Amtszeit dominieren in beiden Kammern des Kongresses Demokraten. Kernstück der Rede war die Situation im Irak. „Amerika darf im Irak nicht scheitern“, sagte Bush. Ein Scheitern würde „schmerzhafte und weitreichende Konsequenzen“ und ein „Albtraum-Szenario für Amerika“ mit sich bringen. Es drohe eine „epische Schlacht“ zwischen Sunniten und Schiiten sowie ein Chaos, das der größte Verbündete der Feinde Amerikas sei. Aber es liege immer noch in der Macht der USA, „den Ausgang dieser Schlacht zu bestimmen“.

Der US-Präsident verteidigte die Entsendung von 21.500 zusätzlichen Soldaten. Sie seien notwendig, um die Lage in Bagdad zu stabilisieren. Die Iraker könnten dies noch nicht alleine bewältigen. Bush bat den Kongress und die amerikanische Öffentlichkeit um Unterstützung für seine „neue Strategie“ im Irak. „Gebt ihr eine Chance.“

Bush, wie es für seine Regentschaft charakteristisch ist, beschwor ein weiteres Mal die Terrorgefahr und erklärte sie zur „totalitären Bedrohung“ der freien, zivilisierten Welt. Er forderte den Kongress zur Einheit im „Krieg gegen den Terrorismus“ auf und schlug einen überparteilichen Beirat mit Spitzenpolitikern von Demokraten und Republikanern vor. „Wir werden unseren Gegnern im Ausland zeigen, dass wir einig sind in unserem Bestreben nach einem Sieg.“

Der Krieg gegen den Terror sei weiterhin die „entscheidende ideologische Schlacht“. Dieser Kampf werde allerdings Generationen dauern und damit weit länger als seine Amtszeit, sagte Bush. Es habe sich als erfolgreich erwiesen, den Kampf gegen Terroristen „zu den Feinden zu tragen“ erklärte Bush. Dank dieser Strategie habe seit dem 11. September 2001 kein Anschlag mehr in den USA stattgefunden.

Der demokratische Senator Jim Webb, der nach der Ansprache Bushs die mit scharfen Worten gepfefferte Erwiderungsrede der Demokraten hielt, warf der Regierung Konzeptlosigkeit vor. Bush habe keine wirklich neue Irakstrategie, sondern lediglich ein paar taktische Angleichungen vorgelegt, erklärte er. „Wir brauchen eine neue Richtung“, erklärte Webb, ein ehemaliger Republikaner und frisch gewählter Senator aus Virginia. „Die Mehrheit des Landes unterstützt nicht länger die Art und Weise, wie dieser Krieg geführt wird; die Mehrheit des Militärs auch nicht.“ Im Interesse des amerikanischen Volkes und „zum Wohl unserer Beziehungen weltweit“ müsse Bush den Krieg beenden. „Wenn er es tut, werden wir uns ihm anschließen, wenn nicht, werden wir ihm den Weg weisen“, so Webb.

Die USA hätten einen „erschütternden Preis“ für den Krieg bezahlen müssen, so der Demokrat. Nicht nur finanziell, sondern auch mit der „Beschädigung unseres Ansehens in der Welt“, vergebenen Chancen im Kampf gegen den Terrorismus und dem Blutvergießen amerikanischer Soldaten. Auch wenn es nun keinen überstürzten Abzug geben dürfe, brauche es eine regionale diplomatische Offensive und einen schrittweisen Rückzug der US-Armee aus den Straßen Bagdads.

Widerspruch zur Irakpolitik des Präsidenten kam aber nicht nur von der Opposition. Auch aus Bushs eigener Partei kam Kritik. Der republikanische Senator Norm Coleman sagte, er kenne zwar nicht den Weg zum Erfolg. Aber der von Bush eingeschlagene Weg sei es jedenfalls nicht.