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Der Bremer CDU ist die Frage nach der Rolle ihres Spitzenkandidaten Thomas Röwekamp in der Kurnaz-Affäre unangenehm. Die Grünen wollen jetzt Aufklärung durch Akteneinsicht

Von Klaus Wolschner

Was ist die Rolle Bremens im Fall Murat Kurnaz gewesen? Das beschäftigte gestern die Bremische Bürgerschaft in einer Aktuellen Stunde. Denn wie erst in den letzten Tagen bekannt geworden ist, war die Annullierung der Aufenthaltsgenehmigung von Kurnaz im Jahre 2004 eine zwischen Referatsleitern des Innenministeriums und der Bremer Innenbehörde im Mai 2004 abgesprochene Strategie, um gezielt die Wiedereinreise zu verhindern.

Ein zweites Detail könnte sich als noch schwerwiegender erweisen: Die erste Lieferung von Informationen des Bremer Verfassungsschutzes an die US-Militärs in Kandahar erfolgte Anfang Januar 2002. Offenbar checkten die US-Stellen damals die in ihrem Gefangenenlager gehaltenen Terror-Verdächtigen. Das sind die Tage, in denen sich auch Beamte des KSK Kurnaz vorgenommen haben. Am 18. Januar wurde ein Teil der Inhaftierten nach Guantanamo ausgeflogen, ein anderer Teil freigelassen. War für die Entscheidung, Kurnaz nach Guantanamo zu bringen, das Bremer Info-Paket entscheidend? Regierungssprecher Thomas Steg hat offiziell eingeräumt, Erkenntnisse des Bremer Verfassungsschutzes hätten im Jahre 2002 eine zentrale Rolle gespielt.

Da der Bremer Innensenator Thomas Röwekamp (CDU), Spitzenkandidat bei den anstehenden Bremer Bürgerschaftswahlen im Mai 2007, zu diesen Fragen beharrlich schweigt, haben die Grünen eine umfangreiche Akteneinsicht bei Verfassungsschutz, Kriminalamt und Innenbehörde beantragt. Es wäre „hilfreich“, wenn der Innensenator von sich aus eine Chronologie vorlegen würde, ging der innenpolitische Sprecher der SPD, Hermann Kleen, gestern in der Debatte auf Distanz.

Keine SPD-Hand rührte sich zum Beifall für den Koalitionspartner nach der Rede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Hartmut Perschau. Das Lager in Guantanamo sei „mit den deutschen rechtsstaatlichen Grundsätzen“ und der Menschenrechtskonvention „nicht vereinbar“, bekannte er: „Die CDU-Bürgerschaftsfraktion war und ist wie Bundeskanzlerin Merkel der Auffassung, dass eine Institution wie Guantanamo auf Dauer so nicht existieren kann und darf.“

Zur Sache wiederholte Perschau die Ausreden, die Innensenator Röwekamp früher benutzt hatte: Im Jahre 2004 sei in Bremen der Fall Kurnaz „lediglich unter ausländerrechtlichen Gesichtspunkten“ bearbeitet worden. Kein Wort zu der Tatsache, dass der Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung in Berlin als politische Strategie verabredet worden war.

Innenstaatsrat Thomas vom Bruch (CDU) meinte, das heutige Bild über das Lager Guantanamo sei erst mit den Jahren entstanden. Die Zwischenfrage des Grünen-Abgeordneten Güldner, ob es zutreffe, dass in Bremen im Oktober das Protokoll der deutschen Guantanamo-Vernehmungen von Kurnaz vorgelegen habe, in dem dieser Folterstrukturen beschrieben hat, mochte vom Bruch nicht antworten.

Und auch über mögliche Erkenntnisse des Bremer Verfassungsschutzes wollte Perschau nicht in der Öffentlichkeit debattieren. Dafür gebe es die streng geheime Kontrollkommission. Perschaus Fazit: Die Behauptung, die Befassung Bremens mit dem Thema Kurnaz habe die „Dauer seiner Haft beeinflusst“, sei „Wahlkampfgetöse“. Neben den Untersuchungsausschüssen in Brüssel und Berlin gebe es „keinen Raum“ für zusätzliche Bremer „Erkenntnisse und Bewertungen“.

Der Grünen-Abgeordnete Matthias Güldner erinnerte daran, dass CDU wie SPD noch im Dezember 2005 einen Antrag der Grünen, der Bremer Senat möge die Freilassung von Kurnaz unterstützen, abgelehnt hatten.