Sklaverei leicht gemacht

Der Wagenbach Verlag verlegt nun schon zum vierten Mal Giampiero Caroccis „Kurze Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs“, ein Geschichtsbuch, das sich durch schlechte Recherche und halsstarrigen Rassismus auszeichnet

Die Lebensbedin-gungen scheinen nicht schlecht gewesen zu sein

VON INES KAPPERT

Da will man sich einfach nur eine bildende Bettlektüre sichern, nicht zu anspruchsvoll und leicht in der demnächst unweigerlich schlaff werdenden Hand zu halten, will sich en passant noch mal die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs vor Augen führen; als Bildungsbürger ist man schließlich immer im Dienst. Und dann findet man sich plötzlich aufrecht sitzend im eigenen Ruhelager wieder.

Der Grund: friendly fire. Zugemutet vom Wagenbach Verlag. Also just von einem Verlag, der sich die Präferenz der inhaltlichen Qualität gegenüber materiellen Interessen, der sich Linkssein aufs Banner geschrieben hat. Ein Verlag, der seine Leserschaft seit mittlerweile zwanzig Jahren auch in ihren ästhetischen Bedürfnissen ernst nimmt und viele seine Bücher in Leinen – rotem Leinen, versteht sich – einschlägt.

Jetzt aber gibt er dem kritischen Hedonisten folgende Einschätzung eines 1919 geborenen italienischen Historikers namens Giampeiero Carocci zu lesen, und zwar in der vierten Auflage: „Entgegen der Behauptungen der (…) Gegner der Sklaverei (…) scheinen die materiellen Lebensbedingungen der Sklaven nicht schlecht gewesen zu sein.“ Jeder Sklave habe „Verpflegung, Kleidung und Unterkunft erhalten“ und – wichtig! – weniger arbeiten müssen als die Tagelöhner.

Nun berichtet die aktuelle Forschung in Sachen Sklaverei in den letzten Jahren zunehmend von Fällen, in denen auch Schwarze Sklaven hielten. Auch die Erkenntnis, dass Rassismus und Ablehnung der Sklaverei Gegensätze sind, die sich eben nicht notwendig ausschließen, ist inzwischen kein Tabu mehr. In anderen Worten: Es gehört fast schon zum guten Ton, dass in der Frage der radikalen Verdinglichung von Menschen die Grenze nicht lückenlos zwischen Schwarz und Weiß verlief. Das aber rechtfertigt mitnichten die Fortschreibung eines Rassismus, so wie Carocci ihn pflegt.

Denn dessen Problem ist nicht die Ambivalenz der Geschichtsläufte, sondern das eigene Unverständnis. Warum, so schlägt es einem fast von jeder Seite entgegen, warum nur konnte eine Bevölkerungsgruppe, deren „Psyche“, wie er Mark Twain zu entnehmen meint, sich als „kindlich, unvorhersehbar, witzig, rabulistisch und abergläubisch“ erweist, zur Sollbruchstelle zwischen Nord- und Südstaaten werden, die Sezession pushen und dadurch Amerika in einen Bürgerkrieg treiben?

Auf 151 Seiten umkreist er dieses Problem und findet keine Antwort darauf. Andererseits kommt er als irgendwie doch Historiker nicht ganz an den geschichtlichen Daten vorbei, die den Kampf um die Freiheitsrechte des Menschen als nicht nur instrumentalisierende Rhetorik, sondern auch als inhaltlich zentralen Punkt im Konflikt zwischen Nord und Süd ausweisen. Gemeinsam mit gravierenden Differenzen hinsichtlich der ökonomischen Entwicklung. Eine Erkenntnis, die keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorzulocken vermag. Wie also kommt ein so uninformiertes, sich in tausend Widersprüche verstrickendes Buch in den Wagenbach Verlag? Die Pressestelle erklärte dies auf Anfrage mit der guten Verkäuflichkeit der Publikation, es handele sich um einen „Vertriebswunsch“. Gleichzeitig räumte sie ein, dass die Suche nach einem Autor, der die Frage der Sklaverei emphatischer, also weniger „kühl“ behandele, nicht abgeschlossen sei.

Giampiero Carocci: „Kurze Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs“. Übersetzt von Friederike Hausmann. Wagenbach 2006, 151 S., 10,90 €