Kolumbien wirbt für den Krieg

Die Politik der EU für den Andenraum hat sich arbeitsteilig dem US-amerikanischen Plan Colombia angepasst: Die USA helfen dem Militär, die EU sorgt sich um Entwicklung

PORTO ALEGRE taz ■ Wenn der kolumbianische Verteidigungsminister Juan Manuel Santos heute auf der Nato-Sicherheitskonferenz in München über den „gemeinsamen Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus“ referiert, darf er sich der Sympathie seiner Zuhörer sicher sein. Bekanntermaßen ist Kolumbiens rechter Präsident Álvaro Uribe seit 2002 der wichtigste Verbündete der US-Regierung in Südamerika. Und nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die EU ihre Politik in den letzten Jahren immer reibungsloser an die US-Strategie für den Andenraum angepasst, wo sich Uribe mittlerweile zwei US-kritischen Nachbarn gegenübersieht: Neben Hugo Chávez aus Venezuela hat auch Rafael Correa, der neue Staatschef Ecuadors, das angebliche Antidrogenprogramm Plan Colombia scharf kritisiert. Ihn stören vor allem die großflächigen Besprühungen der Grenzregion mit dem Monsanto-Pflanzengift Glyphosat.

Nach Washington und London war gestern und vorgestern Brüssel die dritte Station von Santos' Werbetour. „Wir haben viel mehr Hilfe und Verständnis erfahren, als ich mir das vorgestellt hatte“, sagte der Minister zufrieden. Als „ermutigend und exemplarisch“ bezeichnete der stellvertretende Nato-Generalsekretär Alessandro Minuto Rizzo die Modernisierung der kolumbianischen Streitkräfte. Letzte Woche hatte bereits Kolumbiens Außenministerin María Consuelo Araújo, deren Familie eng mit den rechtsextremen Paramilitärs verstrickt ist, in Berlin gut Wetter machen wollen.

Zu jenem Zeitpunkt verkündete Kolumbiens Regierung noch, 86 Prozent der für die zweite Phase des Plan Colombia veranschlagten Mittel bis 2013, insgesamt 44 Milliarden Dollar, seien für Sozialausgaben vorgesehen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Die Bush-Regierung wird beim US-Kongress für 2008 über 700 Millionen Dollar für Kolumbien beantragen, davon über 80 Prozent als Militärhilfe. „Nicht einmal zwei Prozent sollen von Militär- zu Entwicklungshilfe umgeschichtet werden“, fasst Adam Isacson vom linksliberalen Thinktank „Center for International Policy“ zusammen, „das ist bedauerlich.“

Bei der Aufstandsbekämpfung mit der Farc-Guerilla als Hauptfeind seien Armee und Polizei „effizienter“ geworden, lobt der Militärexperte Alfredo Rangel von der Stiftung Sicherheit und Demokratie in Bogotá. Doch sein Fazit über den Antidrogenkampf fällt vernichtend aus: „Trotz aller Anstrengungen ist das Problem des Drogenhandels viel größer als vor Beginn des Plan Colombia. Es wird viel mehr Kokain exportiert, und statt in vier Provinzen wird heute in über 20 Koka angebaut.“

Auch der Frieden ist in weiter Ferne. Einem neuen Bericht der Kolumbianischen Juristenkommission zufolge fielen dem Krieg von 2002 bis 2006 über 11.000 Zivilisten zum Opfer – drei Viertel wurden von Paramilitärs oder Armee ermordet.

Schließlich hat Uribe seine verbale Offensive gegen die zivile Linke verschärft. Nachdem der Senator Gustavo Petro einem Bruder Uribes Beziehungen zu den Todesschwadronen vorgeworfen hatte, bezeichnete der Staatschef den Kritiker als Terroristen, der die Tarnkleidung gegen den Anzug eingetauscht habe – der mögliche Präsidentschaftskandidat Petro gehörte in den Achtzigerjahren der M-19-Guerilla an. Nun zirkuliert ein Aufruf der Paramilitärs, in dem Petro und seine Parteifreunde vom Alternativen Demokratischen Pol zum „sofortigen militärischen Ziel“ erklärt werden.

Und der Plan Colombia? Das wahrscheinlichste Szenario, schreibt das Wochenmagazin Semana, sei die Fortsetzung der bisherigen Arbeitsteilung: „Washington gibt das Geld für den Krieg, und die Europäer konzentrieren sich auf Menschenrechte, menschliche Entwicklung und den Ausbau des Rechtsstaates.“

GERHARD DILGER