Wittler will kein Bärtchen tragen

Einrichtungs-Show-Star Christine Wittler geht nun auch mit rechtlicher Gewalt gegen schlechten Geschmack vor: Gegen Strafandrohung in Höhe von 250.000 Euro untersagt sie die Ausstrahlung der Persiflage „Tine Hitler: Einmarsch in vier Wänden“

Christine Wittler sorgt für Ordnung. Jetzt zum Beispiel hat die RTL-Moderatorin mit Wohn- und Geschäftssitz in Hamburg-Ottensen im Programm des neuen Satire-Senders Comedy Central (CC) aufgeräumt: Durch einen Sketch des in Kiel geborenen und in Braunschweig zur Szene-Größe gereiften Kabarettisten Sven Nagel hat sie ihre Persönlichkeitsrechte verletzt gesehen – einstweilige Verfügung vom Landgericht Hamburg – und Aus. Denn besonders kämpferisch ist der Witzkanal, Mitte Januar mit viel Vorschusslorbeeren gestartet, nicht: Das Prozessrisiko, so die Verlautbarung, sei die Ausstrahlung nicht wert. Man ist eingeknickt.

Tatsächlich geht es nur um einen 40-Sekunden-Trailer, der mittlerweile auch im Internet gesperrt ist. Er hatte allerdings das Zeug zum Kultfilmchen. Wie jede Persiflage bezog er sich auf ein bekanntes Vorbild: In diesem Fall war es die RTL-Sendung „Tine Wittler – Einsatz in vier Wänden“. Die konnte man zwar als unbeholfener TV-Nutzer für eine längliche Ikea-Werbung halten. Aber 2004 erhielt Wittler den Deutschen Fernsehpreis für das Format, in dem sie fremde Wohnungen aufsucht und in einen Zustand bringt, den sie für schön hält. Das hat sie unangreifbar gemacht.

Aber nicht unverletztlich – wie Nagels Kurzfilm bewiesen hat. Er täuschte nämlich vor, ein Werbespot für die fiktive Sendung „Tine Hitler – Einmarsch in vier Wänden“ zu sein. Und er hatte eingeschlagen: Der Spiegel-Online-Beitrag zu CC erwähnt ihn als erstes Beispiel für den „speziellen Humor“ des Senders – „eine Herausforderung für drögen deutschen Klamauk auf RTL“. Obwohl Nagel ja früher oft bei Wittlers Haussender RTL zu sehen war. Aber so viel Resonanz wie auf die Hitler-Miniatur hatte er dort nie: In nicht einmal zehn Tagen war der Spot als Videostream auf hunderten Homepages zu finden, und einschlägige Web-Foren liefen heiß: 20, 30 Einträge binnen einer Woche, in denen diskutiert wurde, ob man das dürfe oder nicht. Und die Mehrheit schien zu finden: Ja. Sei doch witzig. Vor allem die angebliche Sendezeit „täglich von 19.33 Uhr bis 19.45 Uhr“ war für herausragend komisch gehalten worden. Na, dieser Gag lässt sich ja vielleicht recyclen.

Den Rest noch einmal aufzulegen wäre riskant: Die festgelegte Strafandrohung für eine Ausstrahlung beträgt 250.000 Euro – in Worten: eine Viertelmillion. Der Inhalt des Spots war nämlich tatsächlich dem der Wittlersendung nachempfunden. Und er trieb dann noch bösen Schabernack mit dem Äußeren der Moderatorin. Gezeigt wurde ein klassisches Spießerwohnzimmer, in das ein à la Gestapo gekleideter Mann eindringt, um, zum Entsetzen der Familie, das Mobiliar zu zertrümmern. Dann öffnet er eine Tür: Und im Rahmen steht eine breitgebaute, blonde Frau mit einem schmalen Oberlippenbärtchen. Wittler hat kein Bärtchen, sonst aber ist die äußere Ähnlichkeit bewusst hergestellt, und noch dazu kam dann die Stimme aus dem Off und schnarrte in bewährter Wochenschau-Manier: „Tine Hitler – Einmarsch in vier Wänden. Täglich von 19.33 bis 19.45 Uhr“ – nein, das durfte es nicht länger geben. Da musste doch zurückgeschossen werden. Schließlich weiß Wittler, Einrichtungs- und Mode-Expertin, was schlechter Geschmack ist. Und Hamburgs Richter können ihr folgen.

Spannend wird es allerdings, wenn ihre leicht dechiffrierbaren Schlüsselromane – der jüngste trägt den Titel „Irgendwas is immer“, ohne „t“, das ist ein feinsinniger Scherz – in die Hände der Person geraten, die in ihnen durchgängig den Namen ‚Horst‘ trägt: In den beiden Vorgänger-Bänden ist sie sogar Titelfigur. Horst nämlich wird in den Büchern konsequent als „bindungsgestörter Scheißkerl“ charakterisiert, und er könnte das geschmacklos finden: Künstlerische Freiheit war früher ein Kriterium in solchen Fällen. Da durfte man so’ne Sachen schreiben. Aber spätestens, seit der Bundesgerichtshof Maxim Billers Roman „Esra“ verboten hat – Ayse R. hatte sich in der Hauptfigur wiedererkannt – kann man sich dessen nicht mehr sicher sein. bes