Yorckler müssen Anklagebank besetzen

Viele einstige BewohnerInnen des Hausprojekts Yorck 59 stehen demnächst vor Gericht: Ihnen wird Hausfriedensbruch vorgeworfen, weil sie sich der Räumung ihres Hauses widersetzt hatten. Der erste Prozess beginnt bereits morgen

Anderthalb Jahre nach der gewaltsamen Räumung des linken Hausprojekts in der Yorckstraße 59 rollt auf die ehemaligen BewohnerInnen eine Prozesslawine zu. 150 Strafbefehle mit Geldstrafen in Höhe von jeweils 300 bis 700 Euro habe das Amtsgericht Tiergarten in den vergangenen Wochen verschickt, sagte eine ehemalige Bewohnerin am Wochenende. Ihnen wird Hausfriedensbruch vorgeworfen, weil sie sich am Morgen des 6. Juni 2005 geweigert hatten, das bis dahin von ihnen bewohnte Gebäude zu verlassen. Weil viele der Beschuldigten den Strafbefehl verweigern, kommt es morgen zum ersten Prozess. Es sei mit zahlreichen weiteren Prozessen zu rechnen, sagte die ehemalige Yorckstraßen-Bewohnerin.

Das vierstöckige Hinterhaus der Yorckstraße 59 in Kreuzberg war 17 Jahre lang ein linkes Hausprojekt, in dem 60 Personen wohnten und zahlreiche Initiativen ihre Räume hatten. Nach mehreren Eigentümerwechseln kaufte 2003 der Hamburger Investor Marc Walter den Komplex und erhöhte die Miete auf das Doppelte. Doch die damaligen BewohnerInnen weigerten sich, die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Im Juni 2005 erfolgte die Räumung. Ein Teil der ehemaligen Yorck-59-Bewohner besetzte daraufhin den leerstehenden Südflügel des Bethanien am Mariannenplatz und gründete das Wohn- und Kulturprojekt „New Yorck“.

„Insgesamt möchte die Staatsanwaltschaft über 50.000 Euro an Strafgeldern eintreiben“, sagte die ehemalige Yorckstraßen-BewohnerIn. Das wolle man sich nicht gefallen lassen. Neben Hausfriedensbruch in der Yorckstraße wird im gleichen Strafbefehl vielen Beschuldigten auch Hausfriedensbruch in der SPD-Landeszentrale vorgeworfen. Zehn Tage vor der gewaltsamen Räumung hatten rund 20 Unterstützer des linken Hausprojekts die SPD-Zentrale in der Weddinger Müllerstraße symbolisch besetzt. Sie wollten mit „einem feierlichen Sektempfang“ einen Räumungsstopp und einen runden Tisch fordern, erzählt die ehemalige Yorckstraßen-Bewohnerin. Doch die SPD verweigerte die Gespräche und ließ die ungebetenen Gäste von der Polizei festnehmen. Im morgigen Prozess wird neben dem Investor Marc Walter daher auch der damalige stellvertretende Landesvorsitzende der SPD, Eckhart Springsklee, aussagen.

Für Empörung bei den ehemaligen BewohnerInnen sorgt zudem ein Gerücht, das sie in einer Presseerklärung selbst weiterverbreiten. Unter den Käufern der inzwischen zu Luxuslofts umgebauten ehemaligen Fabriketagen befinde sich angeblich auch Til Schweiger. Der Schauspieler hat unter anderem in dem Film „Was tun, wenn’s brennt“ einen Kreuzberger Hausbesetzer gespielt. „Es wäre überaus unerfreulich, wenn ausgerechnet Schweiger einer der ersten Nutznießer der von InvestorInnen und PolitikerInnen vorangetriebenen Stadtumstrukturierung wäre“, heißt es in der Erklärung. Schweiger selbst hat in mehreren Zeitungsinterviews über seine neue Loftwohnung in Kreuzberg gesprochen, „die aber noch nicht fertiggestellt ist“. Schweigers Produktionsfirma „Barefoot Film“ wollte sich auf taz-Anfrage nicht dazu äußern.

Was dem Wahrheitsgehalt dieses Gerüchts entgegensteht: In einem der Zeitungsberichte spricht Schweiger von einem Loft mit Garten. Recherchen haben jedoch ergeben, dass die luxussanierten Wohnlofts in der Yorckstraße 59 zwar mit Balkons versehen sind, von Gärten ist aber nicht die Rede. Felix Lee