Tue Gutes, genieße – und verdiene dabei

Imagegewinn und dynamisches Wachstum dank Bioprodukten: Das ist großen Labels recht und deutschen Discountern billig. Das gesunde und nachhaltige Einkaufsverhalten punktet mit gutem Gewissen. Auch für große Konzerne wird das zu einem Wirtschaftsfaktor, mit dem gerechnet wird

Berichte über Ausbeutung bedrohten die Gewinne

VON CHRISTOPH RASCH

Auch der Otto-Katalog hat seinen eigenen Umweltengel: Tatjana Patitz, ökologisch engagiertes Mannequin, leiht dem dicken Warenwälzer in diesem Jahr Gesicht – und Gewissen: „Ich finde es klasse, dass er Einkaufsspaß und Bewusstsein für Umwelt und Sozialverantwortung unter einen Hut bringt“, sagte Patitz bei der Vorstellung des Versandhauskatalogs vor wenigen Wochen.

Beispiel Baumwolle: Die ist, konventionell verarbeitet, dank Pestiziden, Kunstdünger oder Entlaubungsmitteln nicht nur ziemlich umweltschädlich, sondern kann für den empfindlichen Träger auch zur „Reiz“-Wäsche werden. Ökologische Produktionsweisen werden als „hautverträglich“ beworben – mit einer nur auf das Label „Umweltschutz“ ausgerichteten Verkaufsstrategie war man bei Otto zuvor weniger erfolgreich, heißt es aus dem Konzern.

„Gut aussehen – sich gut fühlen“, lautet heute die Kernbotschaft nicht nur des Otto-Katalogs, sondern gleich einer ganzen neuen Konsumentenschicht. Prominente wie Patitz sind die verkaufsfördernde Avantgarde der Biobewegung: Madonna kauft Ökowindeln, George Clooney fährt mit Hybridantrieb, und Heather Mills wirft gar eigene Biocremes auf den Markt – „Role models“ für das Lebensgefühl der sogenannten Lohas (Lifestyles of Health and Sustainability).

Das gesunde und nachhaltige Einkaufsverhalten der in der Presse als neue „Ökobohème“ bezeichneten Lohas basiert vor allem auf „Genuss mit gutem Gewissen“. Eine Haltung, die auch als Folge des Biolebensmittelbooms daherkommt, wie Trendforscher Matthias Horx bereits zur Biofach 2006 diagnostizierte: „Wer sich für gesunde Ernährung interessiert, interessiert sich eben auch für gesunde Kosmetik oder gesundes Wohnen.“

Über das Biogemüse ist der Markt längst hinausgewachsen: Etwa ein Viertel der auf der Biofach präsentierten Produkte kommt aus dem Non-Food-Sektor. Die Spartenschau Vivaness vereinte im vergangenen Jahr rund 200 Anbieter für Heilmittel, Körperpflege und Accessoires.

Der Markt greift das auf: 51 Prozent der Deutschen, so eine Forsa-Umfrage aus dem vergangenen Herbst, achten auch bei Cremes, Textilien oder Möbeln auf nachgewiesene Ökoqualität. Experten verorten diesen „bewussten Konsum“ nicht nur bei den wohlhabenden Über-49-Jährigen, sondern auch bei jüngeren Kunden. Die Generation, die mit den Folgen von Globalisierung und Klimawandel aufwächst, will schicke Trendware mit moralischem Anspruch – und zahlt dafür gern einen kleinen Aufpreis.

„Traumhaftes Wachstum“ verzeichnen denn auch ökologisch bewusste Modelabels wie die 2003 gegründete Kultmarke American Apparel, die inzwischen weltweit 150 Filialen umfasst und dessen Umsatz auf bis zu 250 Millionen Dollar beziffert wird.

Die großen Handelshäuser und -ketten begegnen den neuen Ansprüchen insgesamt immer offensiver: Beim Moderiesen Hennes und Mauritz (H & M) steckt die Biomode momentan zwar noch immer in den Kinderschuhen – beziehungsweise seit dem Herbst 2005, in Babystramplern und -jäckchen – doch will man noch in diesem Jahr neue Produkte anbieten.

Auch Traditionsmarken wie die zu KarstadtQuelle gehörende Hess Natur erweitern ihr Angebot um hessisches Bioleinen oder afrikanische Baumwollprojekte, und Möbelgigant Ikea lässt sich in Sachen Tropenholz von WWF-Experten beraten – und Levi’s produziert Eco-Jeans mit doppelter Nachhaltigkeit: „Mit diesem Trend wollen wir natürlich auch Geld machen“, so ein Sprecher.

„Heute arbeiten auch Firmen wie Puma mit Umweltorganisationen zusammen, deren Vertreter vor ein paar Jahren wahrscheinlich noch vom Sicherheitsdienst herausgeworfen worden wären“, sagt Fred Grimm. Der Journalist und Buchautor („Shopping hilft die Welt verbessern“, 2006) sieht sowohl Kunden als auch Konzerne weniger von Umweltideologien geleitet, als vielmehr von Pragmatismus: „Dass eine Firma wie Nike zum weltweit größten Abnehmer von Biobaumwolle avanciert ist, liegt ja nicht daran, dass dort plötzlich nur noch gute Menschen am Ruder sind“, sagt der Journalist Grimm, „sondern dass die Berichte über Ausbeutung in Nike-Fertigungsstätten die Gewinne und den Aktienkurs bedrohten.“

Imagegewinn und dynamisches Wachstum dank Bioprodukten – was großen Labels recht ist, das ist deutschen Discountern billig: Ob Aldi, Penny oder Lidl – kein großer deutscher Supermarkt, der kein eigenes Biolabel in den Regalen führt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen – Plus vertreibt seit kurzem Pflegeprodukte ohne synthetische Konservierungs-, Farb- und Parfümstoffe – erschöpft sich das Engagement allerdings zumeist im Lebensmittelbereich. Nicht zuletzt, weil den Discountern der für den Verkauf von Kosmetik oder Mode unverzichtbare Glamourfaktor einfach fehlt.

„100 Prozent moralisch modisch“: Vom Kapuzentop mit Trompetenärmeln des Organic-Pioneers-Labels Stewart + Brown bis zum Biobaumwoll-Minikleidchen von American Apparel erobert die ökologisch korrekte Mode sogar die Hochglanz-Fotostrecken der Frauenmagazine. Ob sich die Ökomode auch im Handel voll durchsetzen kann oder eine Nischensparte bleibt – darin sind sich zumindest die Händler noch uneins.