Bund nimmt weniger Schulden auf

Auf 1,49 Billionen Euro ist die öffentliche Verschuldung im Jahr 2006 gestiegen

BERLIN taz ■ „Schuldenberg der öffentlichen Hand steigt auf Rekordhöhe“, vermeldete gestern die Nachrichtenagentur Reuters. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Bund, Länder und Gemeinden Ende 2006 mit insgesamt 1,485 Billionen Euro am Kreditmarkt verschuldet – das sind 2,6 Prozent mehr als 2005. Während die Gemeinden ihre Bilanz dabei um 2,5 Prozente verbesserten, stieg die Kreditaufnahme der Länder um 2,4, die des Bundes gar um 3,2 Prozent. Allerdings verdeckt die Gesamtzahl eine eigentlich positive Entwicklung – und die Reuters-Meldung unterschlägt eine wichtige Information: Ende 2005 hatte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) angekündigt, den Bund 2006 mit knapp 38 Milliarden Euro neu zu verschulden. Tatsächlich hat er nun nur 28,6 Milliarden Euro aufgenommen.

Steuerexperten wie der Bremer Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel sehen 2006 denn auch nicht als finanzpolitisch schlechtes Jahr. „Wann hat der Staat zuletzt weniger Schulden aufgenommen als angekündigt?“, fragt Hickel. Interessant sei dabei vor allem, wie die unerwartete Situation zustande kam: Zum einen wuchs die Wirtschaft 2006 wieder nennenswert, wozu neben dem Export vor allem die Investitionen der Unternehmen beitrugen, die viel Nachholbedarf beim Modernisieren haben. Zum anderen wurden 2006 keine großen Steuerentlastungen wirksam – mit dem Ergebnis, dass die staatlichen Einnahmen sprudelten. Zugleich, so Hickel, habe sich gezeigt, dass Unternehmen bei ihren Investitionsentscheidungen keineswegs den Impuls durch neue Steueranreize bräuchten.

In diesem Zusammenhang warnte der Ökonom davor, bei der geplanten Unternehmensteuerreform zu großzügig zu sein. Und auch bei der Parlamentarischen Linken (PL) der SPD ist man misstrauisch geworden. Denn nun gibt es erste Zahlen der Arbeitsgruppe Quantifizierung, die den Referentenentwurf konkret nachrechnen soll.

Statt der im Koalitionskreis beschlossenen Nettoentlastung der Unternehmen um „anfangs 5 Milliarden Euro“ kommt die Arbeitsgruppe für 2008 auf 7,9 Milliarden Euro. Auch 2009 und 2010 lägen die Steuerausfälle mit 6,9 und 6,6 Milliarden Euro deutlich über dem Plan. Hickel schätzt sogar, dass dem Staat anfangs mehr als 10 Milliarden Euro verloren gehen.

Die PL hatte schon das 5-Milliarden-Ziel mit Bauchschmerzen betrachtet. Sie wollte den Unternehmen nicht mehr als eine Milliarde Euro an Entlastung zugestehen. „Wenn die neuen Zahlen stimmen, steht das eindeutig im Widerspruch zu den Papieren der Regierung“, sagte PL-Sprecher Ernst-Dieter Rossmann der taz. „Es passt aber dazu, dass Unionspolitiker schon damit werben, dass es eine Dauerentlastung für die Unternehmen geben soll.“ Tatsächlich habe man sich nur auf eine „Anfangsfinanzierung“ geeinigt. „Wenn es das Gesicht der großen Koalition ist, zugleich zwei verschiedene Botschaften auszusenden, ist es kein Wunder, wenn sie ein Glaubwürdigkeitsproblem hat.“ Unter diesen Bedingungen sei es ausgeschlossen, der Reform so zuzustimmen. BEATE WILLMS