Franziska allein im Haus

Die Tage der Grünen-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, Franziska Eichstädt-Bohlig, scheinen gezählt. Immer mehr Grüne sägen am Stuhl der „Reala“ – nicht nur die aus dem linken Lager

VON FELIX LEE

Eigentlich können die Grünen nach 100 Tagen in der Opposition zufrieden mit sich sein. Ob bei der Debatte um die Ehrenbürgerschaft für den Liedermacher Wolf Biermann, beim Nachtragshaushalt oder bei der Enthüllung des Medikamentenskandals in Gefängnissen – stets konnten sich die Grünen mit ihren Positionen durchsetzen. „Wir können eine viel bessere Bilanz ziehen als die lahme Regierung“, sagt der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu und spricht damit der gesamten Partei aus der Seele. Und dennoch brodelt es intern. Im Zentrum der Kritik: die Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig.

Auch wenn beim heutigen Landesparteitag – dem ersten nach der Wahl – Personalentscheidungen gar nicht anstehen, könnte der Unmut über die Fraktionsvorsitzende hier zutage treten. Der konkrete Anlass ist ein Papier der Fraktionslinken. Zehn Abgeordnete kritisieren die Frontalangriffe der Fraktionsspitze auf die Sozialdemokraten und erteilen schwarz-grünen Anbändeleien eine Absage (taz berichtete). Doch obwohl der zweite Teil der Fraktionsspitze, Volker Ratzmann, sich grundsätzlich ebenfalls offen für Schwarz-Grün zeigt, scheint sich der Unmut vor allem gegen die Fraktionsvorsitzende zu richten. Die legte nach. „Wenn die Sozialdemokraten uns die kalte Schulter zeigen, macht es keinen Sinn, sich anzubiedern“, sagte sie.

Dass sich überhaupt ein linker Flügel gebildet hat, könnte bereits als Affront gegen die bekennende „Reala“ gedeutet werden. Eindeutig gelagerte Flügelkämpfe in der Fraktion hatte es zumindest in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr gegeben. Nur kurze Zeit nach der Wahl von Eichstädt-Bohlig zur Fraktionsvorsitzenden haben sich zehn Abgeordnete bereits getroffen – immerhin fast die Hälfte der neuen Fraktion. Die Treffen finden seitdem einmal im Monat statt. Einheitliche Abstimmungsvorgaben für die Abgeordneten gebe es zwar nicht, sagte ein Parteilinker. Aber über die Stoßrichtung werde schon diskutiert.

Während die Parteilinke auch vor der Wahl Eichstädt-Bohligs zur Spitzenkandidatin keinen Hehl daraus machte, dass sie Probleme mit ihr hat, regt sich der Unmut nun auch bei den Realos. Die Kritik ist zum Teil organisatorischer Natur. Vorlagen würden nicht rechtzeitig eingereicht, Absprachen nicht eingehalten, und ihr Führungsstil werde von einigen als „autoritär“ empfunden, von anderen wiederum als „chaotisch“, heißt es gleich von mehreren in der Fraktion. Eine Abstimmungsniederlage in der Fraktion holte sich Eichstädt-Bohlig erst jüngst bei einem ihrer Steckenpferde: bei der Verhinderung des Riesenrads am Zoo. Da ging es zwar nur um die Detailfrage, ob die Planungshoheit beim Bezirk bleibt oder dem Senat übertragen wird, wofür sie plädierte. Doch alle stimmten gegen sie. Strömungsübergreifend wird bereits über ihre Nachfolge diskutiert. Von einer „Fraktionsvorsitzenden auf Abruf“ ist die Rede.

Warum es trotz des Unmuts bislang noch zu keinem offenen Putsch gekommen ist? Selbst die Parteilinke muss eingestehen, dass sie momentan keine Alternative vorzuweisen hat. Zwar bringen sich potenzielle Nachfolgerinnen wie zum Beispiel die arbeitsmarktpolitische Sprecherin in der Fraktion, Ramona Pop, oder die Wirtschaftsexpertin Lisa Paus, intern immer wieder selbst ins Gespräch. Solange sich jedoch beide offiziell bedeckt halten, traut sich auch sonst niemand, vorzupreschen.

Eichstädt-Bohlig bestreitet die angeblich gegen sie gerichteten Angriffe. Weder fühle sie sich in der Fraktion unzureichend unterstützt, noch erkenne sie am Linken-Treffen einen Affront gegen ihre Person. „Es ist doch völlig legitim, dass sich diejenigen, die sich inhaltlich nahe stehen, auch mal treffen“, sagte sie der taz. Das Gerücht, sie würde nicht bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalten, weist sie zurück. Bei der nächsten Wahl des Fraktionsvorstands im Herbst werde sie wieder antreten.

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