Wer keinen Sprachkurs macht, soll gehen

Bundesregierung will das Ausländerrecht verschärfen: Laut Gesetzentwurf sollen Zuwanderer, die sich „integrationsfeindlich“ verhalten, ausgewiesen werden. Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs darf nicht „gröblich“ verletzt werden

„Der Gesetzentwurf ist auf einem Bierdeckel entstanden“

AUS BERLIN CIGDEM AKYOL

Migranten mit „besonders integrationsfeindlichem Charakter“ oder solche, die in „schwerwiegender Weise“ die Integration von Familienangehörigen beeinträchtigen, sollen zum Verlassen des Landes verpflichtet werden können. Dasselbe gilt auch für Migranten „die andere Personen in verwerflicher Weise (…) davon abhalten, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben“ – so steht es in einem der taz vorliegenden Entwurf, der Teil eines Gesetzespakets ist, das die Bereiche Asyl und Integration umfasst. Er geht einher mit der Umsetzung von elf EU-Richtlinien.

Was genau unter einem „verwerflichen Verhalten“ zu verstehen ist, wird in dem Gesetzentwurf vom Bundesinnenministerium nicht erläutert. Es sei völlig unklar, wer oder welches Verhalten denn nun einen „integrationsfeindlichen Charakter“ hätten, kritisiert Torsten Jäger vom Interkulturellen Rat und nennt den Entwurf einen „Katalog der Diskriminierung“. Die Links-Politikerin Ulla Jelpke wirft der Regierung vor, die fällige Umsetzung von EU-Richtlinien als Deckmantel für Diskriminierungspolitik zu nutzen. Eine Auffassung, die auch Gert Mesowitsch von Pro Asyl vertritt. „Der Gesetzentwurf ist doch auf einem Bierdeckel entstanden.“

Aber in der Kneipe wurde der Text nicht entworfen. Schon seit vergangenem Jahr brütet eine Arbeitsgruppe von SPD und Union über dem Gesetzentwurf, der demnächst im Kabinett eingereicht werden soll. Bisher umfasst der Text 400 Seiten und trägt den sperrigen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union“.

Herausgekommen ist ein unübersichtlicher Entwurf, der auch die bereits in Deutschland lebenden Ausländer betrifft. So erhielten bisher junge Erwachsene im Alter von unter 23 Jahren auch dann die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn sie nicht selbst für ihren Unterhalt sorgen konnten. Nach den Wünschen der Regierung sollen die jungen Erwachsenen nun künftig erst einen Job nachweisen, bevor sie Deutsche werden können. Die Pläne sehen auch ein Bußgeld von bis zu 1.000 Euro für Zuwanderer vor, die ihrer Pflicht zur Teilnahme an Integrationskursen nicht nachkommen. Oder noch drastischer: „Verletzt ein Ausländer seine Verpflichtung (…) zur ordnungsmäßigen Teilnahme an einem Integrationskurs (…), kann bei wiederholter und gröblicher Verletzung der Pflichten (…) die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werden“. Wer die Schule schwänzt, soll also gehen.

Aussichten, die Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, als Rückschritt empfindet: „Einerseits will die Regierung mit uns reden, andererseits werden immer schärfere Gesetze gegen uns vorbereitet“, kritisiert Kolat. Der Integrationsprozess dürfe nicht mit der „Keule der Strafandrohung“ gestaltet werden. „Die geplanten Änderungen behindern eine weitere Integration“, erklärt er der taz.