Senat verschläft nachhaltig

Seit 2005 läuft die Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Das Mammutprojekt der Vereinten Nationen ist auf regionale Verankerung angewiesen: Doch während andere Bundesländer längst aktiv sind, hat der Senat noch keine Strategie

VON MARTIN KAUL

In der Pressestelle des Bildungssenators fragt der Zuständige noch mal nach: „Wooo-rum soll es da gehen?“ Zugegeben: „UN-Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005 bis 2014“, das ist ein Titel, der nicht sehr sexy ist. Gehört haben könnte man ihn aber schon einmal. Das Projekt der Vereinten Nationen hat sich zum Ziel gesetzt, quer durch die Mitgliedstaaten innerhalb von zehn Jahren einen Zugang zu ressourcenschonenden Nachhaltigkeitsstrategien in der Bildung zu etablieren (s. Kasten).

In Berlin, wo Feinstaubbelastung, Luftqualität und Möbelentsorgung auf Bürgersteigen ökologische Dauerbrenner sind, müsste diese Initiative eigentlich auf offene Ohren stoßen.

Anders aber als in anderen Bundesländern mangelt es in der Hauptstadt an einer politischen Strategie. Während etwa in Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Baden-Württemberg und Hamburg bereits Landesaktionspläne vorgelegt wurden, ticken an der Spree die Uhren langsam. Zwar gab es im September vergangenen Jahres eine offizielle Auftaktveranstaltung zur Weltdekade, danach aber passierte nichts.

Bislang verweist die Senatsverwaltung auf ihr Programm „Transfer 21“, das schulische Bildung an Konzepten der Nachhaltigkeit orientieren soll. Doch der Leiter des Programms, Prof. Dr. Gerhard de Haan, sieht Berlin auf der politischen Ebene in der Bringschuld: „Ich halte es für dringend geboten, dass Berlin sich endlich zu einem Landesaktionsplan durchringt. Man muss hier in einer höheren Geschwindigkeit zu Ergebnissen kommen.“ De Haan ist nicht nur Leiter des Transfer-Programms, sondern auch Vorsitzender im Nationalkomitee der deutschen Unesco-Kommission, die die Weltdekade in Deutschland begleitet und umsetzt. Der Erziehungswissenschaftler sitzt mit seinen MitarbeiterInnen an der Freien Universität in Dahlem – geballte Fachkompetenz, die die Stadt leicht nutzen könnte.

Doch das wird nicht einfach. Denn auch in den Senatsverwaltungen selbst herrscht noch Uneinigkeit, wer überhaupt zuständig ist. Irgendwie alle und niemand: Ansprechpartner zu Konzepten nachhaltiger Bildung sitzen in drei verschiedenen Senatsverwaltungen – Bildung, Umwelt und Wirtschaft. Doch die Federführung für die Weltdekade hat niemand. Wann ein entsprechender Landesaktionsplan vorliegen könnte, kann dementsprechend keiner so recht sagen. Vielleicht weil noch gar nicht darüber geredet wurde.

Zwei Jahre nach Beginn der Weltdekade und fünf Jahre nach ihrer Verabschiedung in Johannesburg ließe sich das aber erwarten. Gegenüber der taz sagte Volkmar Strauch (SPD), parlamentarischer Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen immerhin: „Es wird so etwas Ähnliches wie einen Landesaktionsplan geben.“ Wann? Keine Antwort. Auf einem Aktionstag im Juni wolle man „Best Practice“-Beispiele aus der Wirtschaft zusammenführen. In einem Reader könnten die dann festgehalten werden. Strategie? Fehlanzeige.

Dabei müsste die Stadt sich nur abschauen, was ihre BürgerInnen ihr vormachen. Denn im Konkreten tut sich viel (s. unten).

„Es gibt in Berlin viele Mosaiksteinchen. Was fehlt, ist ein Berliner Masterplan, der die vielen Anstrengungen zusammenführt“, sagt Prof. Dr. Bernd Overwien, Mitglied im Beirat der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit und Professor für Globales Lernen an der Technischen Universtät. Bis 2014 noch läuft die Dekade. Genug Zeit, um weiterzuschlafen.