Spätes Verfahren

Nach 19 Jahren Untergrund Anklage gegen mutmaßliches Mitglied der „Roten Zora“

BERLIN taz ■ Die Bundesanwaltschaft hat bereits Ende Januar Anklage gegen ein mutmaßliches Mitglied der früheren terroristischen Gruppe „Rote Zora“ erhoben.

Die 58-jährige Beschuldigte Adrienne G. soll an zwei versuchten Sprengstoffanschlägen in den Jahren 1986 und 1987 beteiligt gewesen sein, wie die Karlsruher Anklagebehörde gestern mitteilte. Adrienne G. hatte sich zusammen mit dem gleichaltrigen mutmaßlichen Mitglied der „Revolutionären Zellen“, Thomas K., Anfang Dezember des vergangenen Jahres nach 19 Jahren auf der Flucht freiwillig der Bundesanwaltschaft gestellt.

Der erste Anschlag, der Adrienne G. zur Last gelegt wird, richtete sich am 17. Oktober 1986 gegen das Gentechnische Institut in Berlin, der zweite am 21. Juni 1987 gegen ein Gebäude des Textilkonzerns Adler in Haibach bei Aschaffenburg. Anlass der Brandstiftung war die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen in den Herstellerländern der Textilien, hieß es in einem damaligen Bekennerschreiben der „Roten Zora“. Beide Male zündete der Sprengsatz jedoch nicht. Die 58-Jährige wird beschuldigt, in beiden Fällen einen Wecker gekauft zu haben, der bei den Sprengsätzen als Zündzeitverzögerer diente. Die beim Staatsschutzsenat des Berliner Kammergerichts erhobene Anklage lautet auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und versuchtes Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion.

Die „Rote Zora“ war eine vorwiegend im Ruhrgebiet und in Norddeutschland aktive Frauengruppe, die sich 1977 als Teilorganisation der „Revolutionären Zellen“ (RZ) gegründet hatte. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft bekannte sich die Gruppe bis zum Februar 1988 zu insgesamt 45 Sprengstoff- und Brandanschlägen.

Adrienne G. und Thomas K. wurden am 4. Dezember 2006 festgenommen, nachdem sie sich gestellt hatten. Die Haftbefehle gegen beide wurden am selben Tag gegen Auflage außer Vollzug gesetzt. WOLFGANG GAST