Jugendgewalt regt Parlamentarier an

Wie soll mit der wachsenden Jugendgewalt umgegangen werden? CDU fordert eine Verschärfung des Strafrechts. SPD setzt sich für eine individuelle Betreuung durch Staatsanwälte ein. Grüne nehmen New York zum Vorbild

Offiziell liegt die Kriminalstatistik für 2006 noch gar nicht vor; sie soll erst Mitte März veröffentlicht werden. Doch vor allem was den Bereich Jugendgewalt betrifft, machen die Medien seit Wochen Jagd auf die Zahlen, sodass die meisten Einzelheiten bereits bekannt sind. Nun wollten auch die Abgeordneten ihre Meinung nicht länger hinter dem Berg halten. Die wachsende Jugendgewalt war gestern daher das zentrale Thema im Innenausschuss.

Um 7 Prozent ist die Jugendgruppengewalt laut Innenverwaltung im vergangenen Jahr gestiegen. Besonders brisant: Vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund würden die Rechtsordnung immer mehr ablehnen. Für CDU-Generalsekretär Frank Henkel ein „dramatischer Anstieg“, der ein entschlossenes Durchgreifen und eine entsprechend drastische Verschärfung im Jugendstrafrecht erfordere. Entsprechend rigoros fiel sein Forderungskatalog aus: geschlossene Heime, eine Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre und eine Ausweitung der Höchststrafe für Jugendliche von 10 auf 15 Jahre verlangte der CDU-Abgeordnete. Selbst das Instrument Abschiebung warf er in die Runde. „Wir brauchen einen guten Mix aus Repression und Prävention“, sagte Henkel. Marion Seelig von der Linkspartei sprach von einer „Angstdiskussion“, die die CDU betreibe.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bewertete die Zahlen weit weniger dramatisch. Für die hohe Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund gebe es viele Gründe, sagte Körting. Ursachen könnten sowohl soziale Probleme in den Familien, Schwierigkeiten bei der Integration, aber auch eine Gewaltgewöhnung durch die Medien und Killerspiele sein, hatte er bereits vor einer Woche gesagt.

Unterstützung erhielt Körting von seiner Kollegin, Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). Sie setzt auf das sogenannte Schwellentäterkonzept. Jeder Jugendliche, der mehr als fünfmal zugeschlagen hat, soll seinen eigenen Staatsanwalt zugeordnet bekommen (siehe Text oben). Der innenpolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, Fritz Felgentreu, lobte die Idee, betonte aber zugleich, dass es sich beim Schwellentäterkonzept bloß „um einen kleinen Baustein in einem Bündel von Maßnahmen“ handele.

Kritik kam von der Opposition: „Ein Weg, der zum Scheitern verurteilt ist“, nannte Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann dieses Konzept. Bereits jetzt habe ein Jugendstaatsanwalt rund 1.500 Verfahren im Jahr zu bearbeiten. Jeden Jugendlichen auch noch einzeln zu betreuen, würde eine zu hohe Belastung bedeuten. Dies könne nicht Aufgabe der Staatsanwälte sein. Ratzmann kritisierte, dass alle Justizapparate in Moabit konzentriert sind, und sprach von einem „Moloch der Justiz“.

Er warb für eine Dezentralisierung des Justizapparats nach dem Vorbild von New York. Beim sogenannten Community Court wird versucht, die Gerichtsbarkeit im Gemeinwesen zu verankern. Straftäter werden im Falle zumindest kleinerer Delikte wie Ladendiebstahl innerhalb kurzer Zeit nach ihrer Verhaftung zu Sozialarbeit verdonnert. So entsteht eine Einbindung in die Nachbarschaft. Mit erstaunlichen Erfolgen: 15 Prozent der ehemals Straffälligen arbeiten später freiwillig in diesem Projekt mit. FELIX LEE