Es ist die Wirtschaft, Ladies!


Schluss mit der Versorgungsmentalität! Es gilt, männliche Konkurrenten zu überrunden und ein ordentliches Gehalt zu fordern. Warum Frauen sich endlich um die Finanzen kümmern sollten

VON BARBARA DRIBBUSCH

Zwei Frauenkulturen in Berlin. Die eine spielt sich ab in Charlottenburg, im Secondhandladen eines gemeinnützigen Vereins. Hier stapeln zwei Frauen im Alter von um die 50 Jahren getragene Jeans, Winterjacken und altmodische Handtaschen. Sie verkaufen die gespendeten Stücke für einen Euro oder sogar noch weniger an Rentnerinnen und Alleinerziehende, die gern auf einen Schwatz vorbeikommen. „Es ist eine Frauenkultur“, sagt eine der Verkäuferinnen, „Arme arbeiten für Arme. Notgedrungen.“ Die beiden Frauen jobben als 1-Euro-Kräfte und leben vor allem von Hartz IV, manchmal zweigen sie ein gespendetes Kleidungsstück für sich selbst ab.

Szenenwechsel, zwei Kilometer weiter. Eins der teuersten Fitnesscenter in der Stadt. Der US-amerikanische Yogalehrer ist Kult. Die Besucherinnen geben auch gerne die Adresse des Shiatsu-Masseurs weiter. Wer will, kann sich als Begleiter für die Joggingrunde um den See einen Personal Trainer mieten, dessen Stundensatz bei 60 Euro liegt und damit höher als der eines Handwerksmeisters. Ärztinnen, Kauffrauen, Medienleute aalen sich hier nach dem Saunabesuch auf der im Zen-Stil gehaltenen Dachterrasse.

Zwei Ortstermine, zwei sehr unterschiedliche weibliche Lebenslagen. Die Frauen im Secondhandladen rechnen in Cent und Ein-Euro-Münzen und müssen sich in wechselseitiger Solidarität üben. Die wohlhabenden Geschlechtsgenossinnen hingegen können sich Zuwendung auch von Männern kaufen, die im Wellnessbereich als Therapeuten, Trainer oder Gurus unterwegs sind.

Geld, und zwar eigenes, privates Geld der Frauen entscheidet in einer alternden Gesellschaft über weibliche Lebensstile. Doch interessanterweise hat sich die öffentliche Debatte mit der Rolle der Frauen als Gutverdienerinnen bisher nur wenig beschäftigt. Wenn, dann stehen Karrierefrauen immer noch unter dem Verdacht, spätestens im Alter „erfolgreich, einsam, kinderlos“ zu enden, wie ein Buchtitel droht.

Frauen erscheinen in der politischen Debatte eher als Empfängerinnen von Sozial- oder Unterhaltsleistungen. Ganz so, als bestimme über das Schicksal von Frauen immer noch die Sozialpolitik oder die Verfügbarkeit eines ökonomisch potenten Mannes. „Es ist unglaublich, wie verbreitet der Versorgungsgedanke bei Frauen noch ist“, sagt eine Familienrechtsanwältin, „die Frauen sind dabei äußerst blauäugig“.

In der Tat: Die Zahl der Eheschließungen geht zurück, der Anteil der Scheidungen steigt, die große Mehrzahl der Frauen heiratet nach einer Scheidung nicht erneut, ergeben Zahlen aus dem Datenreport 2006. Scheidungen bergen laut Studien ein hohes Verarmungsrisiko. Kommt das neue Unterhaltsrecht, müssen sich Frauen das Geld zudem mit der nachfolgenden Ehefrau und deren Kindern teilen. Die verheirateten Teilzeitjobberinnen von heute können die geschiedenen Altersarmen von morgen sein.

Deshalb ist es erstaunlich, wie klein Frauen das Thema „Bezahlung“ bei ihrem Job halten – und zwar auch dann, wenn sie noch keine Kinder zu versorgen haben. Die unlängst von der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegte Studie über die „Generation Praktikum“ hat ergeben, dass deutlich mehr Frauen als Männer nach dem Abschluss mehrere Praktika absolvieren, und zwar ganz unabhängig vom gewählten Studienfach. Die materielle Bescheidenheit bleibt während des gesamten Berufswegs erhalten. Im Schnitt verdienen Frauen als ArbeitnehmerInnen in Deutschland rund 22 Prozent weniger in der Stunde als die Männer. Der Durchschnittswert dieses Verdienstabstandes in den EU-Ländern liegt hingegen bei nur 15 Prozent.

Frauen gucken weniger aufs Geld, wenn sie ihren Berufsweg planen, sie klettern seltener in Chefpositionen, und wenn, dann handeln sie oft ein geringeres Gehalt aus als männliche Führungskräfte. Nur jeder vierte Vorgesetzte auf der ersten Führungsebene in deutschen Firmen ist überhaupt eine Frau, ergab eine neuere Untersuchung des IAB-Instituts in Nürnberg. Frauen dominieren zwar oft im häuslichen Bereich, aber das Machtgehabe schwindet, sobald es in die Erwerbswelt geht.

Die weibliche Führungsscheu im Betrieb wird dabei gerne untermauert mit Sätzen wie „Ich will lieber inhaltlich arbeiten. Sollen sich doch die Männer die Hahnenkämpfe liefern“. Üblich sind auch Äußerungen wie „Mir ist der Spaß an der Arbeit und die Atmosphäre im Betrieb am wichtigsten“. Was hierarchiefrei und irgendwie sozial daherkommt, ist nur leider manchmal eine grobe Selbsttäuschung.

Denn gerade, wo viele Frauen angeblich so hierarchiearm arbeiten, etwa an Schulen und in Krankenhäusern, wird gerne intrigiert. „Mobbing tritt bevorzugt in großen Arbeitseinheiten auf, wo viele Frauen zusammenkommen“, schreibt die Personalberaterin Monika Keuthen. Da kann frau eigentlich auch gleich aufsteigen und Chef werden. Das wird auch noch besser bezahlt.

Mehr Frauen in den oberen Etagen bedeutete allerdings, dass weniger Männer diese lukrativen Jobs ergattern – einfach deswegen, weil sich die Zahl der Führungspositionen nun mal nicht vermehrt. Es ist erstaunlich, wie tabuisiert dieser Wettbewerb zwischen Männern und Frauen ist. Vielleicht, so könnte man vermuten, sähen es auch manche Ehefrauen nicht gern, wenn Männern, ihren Männern, der berufliche Aufstieg durch weibliche Konkurrenz blockiert würde.

Es sollte im neuen Feminismus nun allerdings nicht darum gehen, die vollzeitarbeitende hochbezahlte Karrierefrau zum alleinigen Wunschmodell zu erheben und die Hausfrau im Gegenzug herunterzumachen. Die Botschaft muss nur heißen: Mehr Geld ist möglich. Und weniger Naivität auch. Nach einer unlängst im Guardian zitierten Untersuchung aus Großbritannien machen Frauen schlagartig mehr Haushaltsarbeit, wenn sie mit einem Mann zusammenziehen, als noch zu ihren Singlezeiten. Bei Männern aber ist es umgekehrt. Frauen sind immer noch erstaunlich bereit, sich auf Haushaltstätigkeiten zu „spezialisieren“, für die Gegenleistungen nicht mehr garantiert sind und die in der Jobwelt nicht vermarktet werden können.

Im kollektiven Bewussten existieren zwar die Klischees von der sparsamen Hausfrau und der erwerbsscheuen Geschiedenen, die ihren Exmann ökonomisch kastriert. Wo aber steckt das Leitbild der fröhlichen, schuldgefühlfreien Gutverdienerin, die nichts dagegen hat, auch männliche Konkurrenten auszustechen?

Es ist eine Ressource und wohl auch eine Kunst, mit Hartz IV, wenig Status und vielen FreundInnen doch ein freudvolles Leben zu führen. Aber es ist auch nett, sich künftig den gewünschten Zahnersatz, den Motorradführerschein mit 50 und etwas Zukunftssicherheit leisten zu können. Es ist die Wirtschaft, die entscheidet, Ladies. Heute mehr denn je.