Vereint gegen Vattenfall

Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) will Vattenfall den Weg zum neuen Kohlekraftwerk erschweren. Öffentlicher Druck soll den Energieriesen zwingen, den Neubau einer Kohlendioxidschleuder in Berlin zu überdenken

Katrin Lompscher weiß, wie man schlechte Nachrichten gut verkauft. Die Umweltsenatorin wirbt für eine öffentliche Front gegen das Vorhaben des Energieriesen Vattenfall, in Berlin bis 2012 ein neues Kohlekraftwerk zu bauen. „Wir wollen darüber eine gesellschaftlich-politische Debatte führen“, sagte Lompscher (Linkspartei) gestern. Damit gibt die Senatorin dem Druck der Oppositionsparteien nach, die eine Stärkung des „Klimakillers Steinkohle“ kritisieren.

Die neue Anlage soll das seit 1987 betriebene Kraftwerk Klingenberg in Lichtenberg ersetzen. Jährlich will Vattenfall dort aus 2 Millionen Tonnen Steinkohle aus Polen 800 Megawatt elektrische Leistung und 650 Megawatt Wärmeleistung gewinnen. Beim Verfeuern entstehen große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2).

Die schlechte Nachricht hinter Lompschers Aufruf ist folgende: Der Senat kann wenig gegen den Neubau tun. Der Behördenweg verläuft so: Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheit und technische Sicherheit (LaGetSi), das zu Lompschers Umweltverwaltung gehört, prüft das Vattenfall-Ansinnen. Gibt das Landesamt grünes Licht, kann der Energiekonzern seinen Genehmigungsantrag stellen. Binnen zehn Monaten müssen Lompschers Beamte entscheiden. Wenn Vattenfall in seinem Plan alle Anforderungen des Emissionsschutzes und weitere Auflagen erfüllt, „hätte es einen Genehmigungsanspruch“. Kann Rot-Rot also nichts gegen den Bau des Klimakillers tun?

Hier kommt Lompschers Aufruf zu einer „gesellschaftlich-politischen Debatte“ ins Spiel. Vattenfall habe noch keine Entscheidung für oder gegen Berlin getroffen, sagt die Umweltsenatorin. Es bleibe also noch Zeit, öffentlichen Druck aufzubauen.

Gestern fing Lompscher bereits damit an: Der Umweltbilanz Berlins bringe es wenig, dass das geplante Werk die Kohle effizienter in Energie umwandeln werde als das bisherige. Denn unterm Strich werde der Neubau dreimal so viel Kohlendioxid in die Luft pumpen wie das alte. „Der Spareffekt seit 1990 würde komplett aufgebraucht“, urteilt Lompscher. Die Senatorin fordert daher: „Wir brauchen eine positive Klimabilanz bei dem Vorhaben.“ Ansonsten gingen große Umwelterfolge verloren: Bis zum Jahr 2010 will Berlin seinen CO2-Ausstoß um 25 Prozent zurückschrauben. Bis 2003 habe das Land einen Rückgang um 16 Prozent erreicht, das waren laut Lompscher rund 3 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger als 1990.

CDU, Grünen und FDP genügt das nicht. Die Landesregierung solle sich stärker für Energieeffizienz und den Bau eines klimafreundlichen Gaskraftwerks mit Kraft-Wärme-Kopplung einsetzen, fordern die Grünen. Die FDP will mittelfristig die Abkehr von fossilen Brennstoffen.

Die Umweltsenatorin verweist auf Erfolge in der Gebäudesanierung. Bis spätestens Ende Juni will sie eine Vereinbarung unterzeichnen, die die Landeswohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften zu energieeffizienten Sanierungen verpflichtet. Auch der Bund müsse finanziell helfen. Mit Blick auf den heute beginnenden EU-Klimagipfel der Regierungschefs fordert Lompscher von der Bundesregierung, Flüge stärker zu besteuern. Bislang wird bei Auslandsflugtickets keine Mehrwertsteuer fällig.

MATTHIAS LOHRE