Zertretenes Hakenkreuz bald wieder erlaubt

Beim Bundesgerichtshof zeichnet sich ein Freispruch für einen Versandhändler ab, der Antifa-Symbole verkaufte

KARLSRUHE taz ■ Jürgen Kamm hatte seine Haare rot gefärbt, passend zu den roten Roben der Richter am Bundesgerichtshof (BGH). Der Betreiber des Punk-Versandes „Nix Gut“ kämpfte gestern für seine Ehre als Antifaschist und gegen ein Urteil des Landgerichts Stuttgarts. Dort war er im September wegen „Verwendung von NS-Kennzeichen“ zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Tatsächlich handelte es sich bei den „NS-Kennzeichen“ aber um durchgestrichene und zerschmetterte Hakenkreuze – weltweit anerkannte Symbole der Antifabewegung.

Bei der gestrigen Verhandlung vor dem BGH deutete alles auf einen Freispruch hin. Nicht nur Jürgen Kamm und sein Verteidiger Thomas Fischer fanden die Stuttgarter Rechtsauslegung absurd, sondern auch Bundesanwalt Gerhard Altvater als Vertreter der Anklage.

Das Landgericht Stuttgart hatte argumentiert, man dürfe sich an das Hakenkreuz nicht gewöhnen. Außerdem könnten Touristen aus dem Ausland die Antifasymbole falsch verstehen und glauben, in Deutschland seien Kennzeichen aus der NS-Zeit wieder geduldet.

Dem hielt Verteidiger Fischer aber einen fiktiven japanischen Touristen entgegen, der wohl sofort verstehe, dass ein unter dem Stiefel zermalmtes Hakenkreuz keine Werbung für den Faschismus darstelle.

„Wenn der japanische Tourist aber erfährt, dass in Deutschland Nazigegner verurteilt werden, weil sie ein zerschmettertes Hakenkreuz dargestellt haben, dann wäre das wirklich verheerend“, so Rechtsanwalt Fischer. „Er könnte ja glauben, das Hakenkreuz wäre in Deutschland vor Verunstaltung geschützt wie ein staatliches Symbol.“

Der Anwalt forderte deshalb vom BGH eine Klarstellung, dass Antinazisymbole immer dann straflos sein müssen, wenn die Gegnerschaft zum Faschismus „auf den ersten Blick“ erkennbar ist und wenn das Symbol nicht von Rechten missbraucht werden kann.

Das reizte den Vorsitzenden Richter Walter Winkler zu einer kleinen Provokation: „Stellen Sie sich vor, eine Horde Braunhemden marschiert durch Stuttgart und auf den Armbinden tragen sie ein durchgestrichenes Hakenkreuz.“ Doch das konnten sich weder Verteidiger Fischer noch Ankläger Altvater vorstellen. „So etwas ist schon als Verstoß gegen das Uniformverbot im Versammlungsgesetz unzulässig“, konterte Altvater trocken.

Als missverständlich wurde gestern nur ein CD-Cover der Punkband Schleimkeim identifiziert. Dort ist Adolf Hitler vor einer NS-Standarte mit unverändertem Hakenkreuz zu sehen. „Dass die CD ‚Drecksau‘ heißt, wird erst auf den zweiten Blick als Distanzierung deutlich“, räumte Verteidiger Fischer ein. Jürgen Kamm habe beim Vertrieb dieser CD jedoch nicht böswillig gehandelt, da er sie ohne Kenntnis des Covers eingekauft hat. Auch Ankläger Altvater konnte keinen strafwürdigen Vorsatz erkennen.

Das Urteil wird am 15. März verkündet. CHRISTIAN RATH