STEINBACHS KRITIK IST BERECHTIGT, IHRE VERGLEICHE ABER SIND UNHALTBAR
: Polens Antidemokraten

Wenn es galt, den Rechtsextremismus zu bekämpfen, ist sie kaum in Erscheinung getreten: Erika Steinbach, Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) und Menschenrechtssprecherin der CDU/CSU. Jetzt endlich hat sie sich dieser Aufgabe zugewandt – in Polen. Ihre Gleichsetzung der Parteien, die in Polen regieren, mit rechtsextremen deutschen Parteien wie der NPD verfolgt nur ein einziges Ziel: Öl ins Feuer gießen.

Die von Steinbach lancierte Gleichsetzung ist unhaltbar. Die „Liga polnischer Familien“, eine der drei Koalitionspartner in Polen, hat starke antisemitische Tendenzen, ist aber ihren Wurzeln wie ihrer gegenwärtigen Ausrichtung nach klerikal-faschistisch. Nicht Hitler, sondern Franco figuriert prominent in ihrer Ahnenreihe. Andrzej Lepper, zweiter Koalitionspartner, begrüßt Hitlers Arbeitsbeschaffungsprogramm, erweist sich aber im Übrigen als pragmatischer Populist und Krawallmacher. Und: Die Partei der Kaczyński-Brüder, „Recht und Gerechtigkeit“, hat eine erzkonservative Grundausrichtung, befürwortet die Todesstrafe, tritt gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auf und versucht, die Medien gleichzuschalten. Ihr Profil ist autoritär, extrem nationalistisch, aber nicht faschistisch.

Erika Steinbach betreibt mit ihrer Gleichsetzung Demagogie. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass die gegenwärtige polnische Regierung keinen Anlass zur Besorgnis bietet. Viel stärker als seinerzeit in der österreichischen Koalition Schüssel/Haider finden sich bis in die führenden Kabinettsposten der gegenwärtigen polnischen Regierung rechtsradikale, antidemokratische Positionen. Vertreten beispielsweise durch den stellvertretenden Premier und Bildungsminister Roman Giertych. Auch wenn diese Positionen sich aus anderen Quellen speisen als die deutschen rechtsradikalen Parteien. Die Tatsache, dass der Rechtsextremismus in Polen am Kabinettstisch sitzt, macht ihn nicht ungefährlicher, im Gegenteil. Er wird nicht „eingehegt“, sondern darf sich frei entfalten. Er winkt mit Karrierechancen. Nichts bremst ihn wirksam, vor allem keine oppositionelle, konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgehende politische Partei. CHRISTIAN SEMLER