Polizei im Dauerstress

Die Ausschreitungen in Prenzlauer Berg nach einer Solidaritätsdemo könnten ein Vorgeschmack auf die Proteste gegen den G-8-Gipfel sein, befürchtet die Polizei

Auf einen solchen Ansturm war die Polizei nicht vorbereitet: Mit gerade einmal 300 Menschen hatte sie gerechnet. Doch spätestens, als die Demo vom Hackeschen Markt kommend in die Kastanienallee abbog, war die 1.000er-Grenze überschritten. Beobachter schätzen, dass es am Ende an der U-Bahn-Station Eberswalder Straße doppelt so viele waren, darunter viele Jugendliche. Dort kam es dann zur Randale. Der Kommentar eines Polizisten: „Und alles nur wegen eines Jugendzentrums in Kopenhagen.“

800 Beamte waren bis zum späten Samstagabend damit beschäftigt, die Lage in Prenzlauer Berg in den Griff zu kriegen. Flaschen flogen durch die Luft, auch Böller, nach Angaben eines Sprechers warfen einige Demonstranten Steine. Am Ende zählte die Polizei neun beschädigte Autos, eine demolierte Fensterfront einer Bankfiliale und acht Festnahmen. Die Vorwürfe wiegen schwer: Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Widerstand gegen Polizeibeamte, versuchte Gefangenenbefreiung und Körperverletzung. Etwa 20 Demonstranten erhielten Platzverweise.

Die Berliner Polizei befürchtet, dass die unerwartet große Demo gegen die Räumung des Kopenhagener Jugendhauses „Ungdomshuset“ bloß ein Vorgeschmack dessen ist, was in den kommenden Wochen auf sie zukommt. Bereits Ende des Monats treffen sich in Berlin die EU-Staats- und Regierungschefs, um den 50. Jahrestag der Gründung des EU-Vorgängers Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zu feiern.

Umrahmt wird der Gipfel von einem Fest, zu dem am Brandenburger Tor hunderttausende Menschen erwartet werden. Gleichzeitig haben Globalisierungskritiker zu einer Großdemo aufgerufen. „Wir erwarten eine gewaltfreie Demonstration, beobachten aber auch sehr sorgfältig, was sich in der militanten Szene tut“, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern. Er schloss nicht aus, dass abhängig von der aktuellen Lage mehr als 5.000 Beamte im Einsatz sein werden.

Zweiter Großeinsatz: 1. Mai. Zum 20. Mal jährt sich dieses Jahr die Kreuzberger Nacht von 1987, in der es nach dem Brand eines Supermarkts zu stundenlangen Straßenschlachten kam – die Geburtsstunde des Revolutionären 1. Mai. Autonome Gruppen, die in den vergangenen Jahren kaum mehr präsent waren, sind nun wieder aktiv.

Nur ein Monat später findet dann der große G-8-Gipfel in Heiligendamm statt. Mit wie vielen Beamten sich die Hauptstadt am Polizeiaufgebot in Mecklenburg-Vorpommern beteiligen wird, steht nach den Worten Glietschs zwar noch nicht fest. Doch schon jetzt häufen sich auch in Berlin die Brandanschläge, die im Zusammenhang mit dem Gipfel stehen, zuletzt vor wenigen Tagen auf ein Gebäude der Dussmann-Gruppe in Pankow. „Ich rechne damit, dass die Serie der Brandanschläge noch nicht zu Ende ist“, so Glietsch.

FELIX LEE

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