Finnische Urwälder werden zu Papier

Seit Jahresbeginn knattern wieder die Motorsägen in Lappland. Dagegen regt sich Protest. Der Holzeinschlag bedroht den Lebensraum der Samen, sagen Umweltschützer und Forstexperten. Die finnische Regierung verweist auf Arbeitsplätze

Das wichtigste Exportland für die Papierindustrie ist Deutschland

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

In Finnland werden wieder Urwälder für die Papierproduktion gefällt. Nachdem ein durch die Vereinten Nationen erwirkter vorläufiger Stopp des Holzeinschlages ausgelaufen ist, knattern in Lappland wieder die Motorsägen. Gestern demonstrierten dagegen Greenpeace-Mitglieder vor der Zentrale des Papierkonzerns Stora Enso in Helsinki, einem der Abnehmer des umstrittenen Holzes.

Wegen des Holzeinschlages hatten 2005 drei Samen das UN-Menschenrechtskomitee angerufen. Sie begründeten den Schritt damit, dass die Kahlschläge die Lebensgrundlage für die Ureinwohner Lapplands gefährden. Die Samen leben vor allem von der Rentierzucht, in den vergangenen dreißig Jahren wurde ein Großteil der für die Tierhaltung wichtigen Urwälder zerstört. Die UN hatte dann Helsinki gebeten, bis zu einer Entscheidung die Abholzungen einzustellen, was dann auch geschah. Das Komitee gab aber letztendlich nicht dem Anliegen der Samen Recht. Damit war der Weg für die Holzfäller und die Papierproduzenten wie Stora Enso wieder frei. Ihr wichtigstes Exportland ist Deutschland.

Gegen den Einschlag protestiert mittlerweile aber auch praktisch die gesammelte forstwissenschaftliche Elite des Landes. In einem offenen Brief an die Regierung appellierten vor einigen Wochen 240 finnische ForstwissenschaftlerInnen, die unersetzlichen Naturressourcen zu schützen und weitere Abholzungen gänzlich zu unterlassen. Finnland habe sich in der UN-Konvention zum Schutz der Artenvielfalt und in anderen internationalen Abkommen verpflichtet, dem Aussterben von Arten entgegenzuwirken. Tatsächlich sei man aber dabei, die geschützten Flächen immer weiter zu zerstückeln.

Die ForscherInnen rechnen der Regierung vor, dass in Lappland der Anteil von Wäldern mit Bäumen, die älter als 140 Jahre sind, seit 1997 von 17 auf 14,5 Prozent zurückgegangen sei. Das natürliche Wachstum in dieser nördlichen Klimazone sei so langsam, dass jegliches Abholzen dort den Erfordernissen einer nachhaltigen Nutzung von Naturressourcen widerspreche: „Die Lebensumwelt wird in nie mehr wiedergutzumachender Weise verändert, und ein bedeutender Teil unseres nationalen Erbes sowie der genetischen und der Artenvielfalt wird zerstört“, erklärten die Forscher.

Die südfinnischen Wälder habe man mittlerweile bereits fast vollständig den Bedürfnissen der Forstwirtschaft geopfert. Umso bedeutsamer sei ein umfassender Schutz in Lappland. Dabei machten aber nur große zusammenhängende Flächen es vielen bedrohten Arten auf längere Sicht möglich, zu überleben. Tatsächlich sei man aber dabei, die geschützten Flächen immer weiter zu zerstückeln. Die prozentualen Anteile von naturnahen Wäldern bestünden zu einem wachsenden Teil aus praktisch wertlosen Minibiotopen.

Die finnische Regierung hat bislang damit argumentiert, dass die Erhaltung von mehreren tausend Arbeitsplätzen in der Forstwirtschaft und Papierindustrie von einer fortgesetzten Nutzung der nordfinnischen Wälder abhänge. Ein Hinweis, den die ExpertInnen nicht gelten lassen: „Man kann damit nicht die Zerstörung von Ökosystemen rechtfertigen, deren ungestörte Entwicklung tausende von Jahren zurückreicht.“ Zudem weisen die Experten darauf hin, dass die fortgesetzte Zerstörung auch dem Tourismus und dem internationalen Ruf Finnlands massiv schade.

Am vergangenen Freitag hatte sich Forstminister Juha Korkeaoja mit einer Abordnung der ForstwissenschaftlerInnen getroffen. Sein einziges Zugeständnis nach diesem Gespräch: Die Regierung werde eine neue Untersuchung über die Zukunft der Forstwirtschaft in Lappland vornehmen. Die Forderung, bis dahin alle Abholzungen einzustellen, wies er allerdings zurück.