Sarrazin lernt das Lächeln

Der Finanzsenator will wie bisher vor allem sparen. Dennoch führen sprudelnde Steuereinnahmen zu einer ungewohnten Gelassenheit. Und großen Zielen: keine neuen Schulden im nächsten Jahrzehnt

VON RICHARD ROTHER

Das warme Märzwetter macht vieles leichter: zum Beispiel Thilo Sarrazin (SPD) das Regieren. Kurz vor 14 Uhr spazierte der Finanzsenator gestern im Sommeranzug gelassen über den Vorplatz des Roten Rathauses. Drinnen verkündete er wenig später positive Botschaften: Der Haushalt der hochverschuldeten Hauptstadt entwickelt sich erfreulich. Ab 2011 könne Berlin, so Sarrazins Plan, auf die Aufnahme weiterer Schulden verzichten; ab 2020 könnte gar mit dem Schuldenabbau begonnen werden.

Natürlich ist die Lage Berlins, das noch vor einem halben Jahr Sonderhilfen zur Schuldentilgung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erstreiten wollte, alles andere als einfach. Aber Sparsenator Sarrazin hat plötzlich andere Probleme, als nur hier und da neue Milliönchen aus der Stadt zu pressen. Probleme, bei deren Lösung ihm scheinbar der Frühling hilft. Weit verbreitet sei, so Sarrazin, die Haltung: „Alles wird besser, also gönnen wir uns jetzt einmal etwas.“ Im Frühjahr sprössen eben Pflanzen und Gedanken, auch Unkraut. „Da muss ich dann wieder mit dem Rasenmäher kommen.“

Dass sich die Lage durchaus entspannt, zeigte auch Sarrazins weitere Wortwahl. Zum Beispiel „Investitionen“ – ein Begriff, den Sarrazin bislang eher mied, weil er Begehrlichkeiten weckte. Jetzt sieht der Finanzsenator hier „Spielraum“ in Höhe eines zwei- oder dreistelligen Millionenbetrages. Er nennt ein konkretes Beispiel: die Sanierung der maroden Bäder.

Wie aber kommt die neue Gelassenheit zustande? Ist sie gar ein großer Bluff der rot-roten Koalition? Fakt ist: Die gute Konjunktur und die erhöhte Mehrwertsteuer spülen zusätzliche Milliarden in die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen. Über den Länderfinanzausgleich profitiert Berlin von jedem Euro, der in Deutschland erwirtschaftet mit. Zudem bringt die Erhöhung der Grund- und Grunderwerbsteuer Berlin weitere Zusatzeinnahmen. Nach Sarrazins Vorstellungen steigen die Berliner Einnahmen von 18,7 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 20,8 im Jahr 2011. Gleichzeitig sollen sich die Ausgaben im gleichen Zeitraum nur moderat erhöhen: von 20,5 auf 20,7 Milliarden Euro. Dafür sollen sich die Landesbediensteten auch nach dem Auslaufen des so genannten Solidarpaktes im Jahr 2009 auf weitere Einsparungen einstellen. Sarrazin setzt hier die Zielmarke auf 150 Millionen Euro pro Jahr.

Warum aber kann Berlin noch nicht in der nächsten Dekade mit dem Schuldenabbau beginnen? Die Antwort: Weil dann jährlich die Solidarpaktmittel gekürzt werden, und zwar auf null im Jahr 2019. Diese deutlichen Einnahmeverluste zu kompensieren, wird schwierig genug. Erst wenn das geschafft ist, kann sich die Stadt an den Schuldenabbau machen. Auf diesem Weg gibt es selbstverständlich Unwägbarkeiten: Niemand weiß, wie sich die deutsche und die Weltkonjunktur in zehn Jahren entwickeln. Auch steigende Zinsen – in Folge einer guten Konjunktur – würden das hochverschuldete Berlin vor Probleme stellen. Von den finanziellen Folgen eines raschen Klimawandels einmal abgesehen.